NS-Propaganda unmittelbar vor Kriegsbeginn

Ab Frühjahr 1939 wurde in deutschen Medien die Polemik gegen den Versailler Vertrag reaktiviert und beständig verstärkt. So bekundete Goebbels am 23. Juni 1939, dass das deutsche Volk „keine Lust“ mehr habe, „in aller Zukunft weiter in einem Zustand zu leben, der uns in Versailles in unserer schwersten Stunde aufgezwungen wurde“. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ brachte diese Gemeingelage am 24. August 1939 in einem mit „Deutsche - die Kulturbringer des Ostens“ überschriebenen Artikel auf den Punkt: „Der Vertrag von Versailles hatte kein anderes Ziel im, Auge, als der brutalen Verstümmelung Deutschlands einen legalen Anstrich zu geben. (...) Alles in allem waren die Diktate von Versailles und St. Germain wider die Natur. (...) So sehr wir also den Frieden wollen, so sehr müssen wir gleichzeitig die Forderung aufstellen, dass die ehemaligen Feindbundmächte mit ihren Methoden der Bedrohung und der Einkreisung unseres naturgegebenen, in der Mitte Europas gelegenen Lebensraumes endgültig und für immer brechen.[1]

Von einer Kriegspsychose hatte bis dahin allerdings keine Rede sein können. Die propagandistisch entsprechend beeinflusste Bevölkerung war gemeinhin davon überzeugt, dass der „Führer“ auch die aktuellen Probleme lösen werde. Man fuhr deshalb weiterhin in den Urlaub und verlebte in der Regel einen schönen Sommer. Ein aufmerksamer Beobachter hielt damals in seinem Tagebuch fest: „Der Verstand aller sieht logisch Schritt für Schritt alles dem Kriege zudrängen; und das Gefühl keines einzigen hält es für möglich, dass er wirklich kommt.[2]

Erst in der zweiten Augusthälfte 1939 setzte dann eine gezielte und aggressive antipolnische Propagandawelle ein[3], die ebenso Böses ahnen ließ wie der am 23. August 1939 unterzeichnete Nichtangriffspakt zwischen der Sowjetunion und dem Deutschen Reich, der allen bis dahin geltenden ideologischen und propagandistischen Beteuerungen von NS-Seite entgegenlief und die endgültige „Eintrittskarte“ zum Krieg gegen Polen darstellte. Am 25. August wurde seitens der NS-Propagandisten dann „größte Aufmachung“ in der Presse angeordnet. Was nun noch fehlte, waren geschickte propagandistische Schachzüge, die dem deutschen Volk suggerieren sollten, dass Hitler nicht etwa einen Angriffskrieg vom Zaun brach, sondern dass es dem friedliebenden „Führer“ allein um die Verteidigung der nationalen Existenz ging.

Hierzu brannte beispielsweise der „Westdeutsche Beobachter“ ein regelrechtes Propagandafeuerwerk ab. Vom 27. bis zum 30. August 1939 lauteten die jeweils dick rot unterlegten Schlagzeilen auf der Titelseite „30.000 Deutsche unter polnischen Gefängnisknuten“ - „Polnische Banden auf deutschem Gebiet“ - „Seuchenkrieg gegen Volksdeutsche“ - „Polnische Bombenattentate auf Volksdeutsche“. Nichts davon war wahr, aber jede einzelne Schlagzeile folgte dem altbekannten Propagandamuster, das auf das deutsche Selbstverteidigungsrecht und den notwendigen Schutz deutscher Minderheiten im Grenzgebiet abhob.

Die Diskrepanz zwischen der Berichterstattung und der tatsächlichen Faktenlage war derart groß, dass die Bevölkerung die dahinter stehenden Absichten wohl relativ leicht durchschauen konnte. Da es sich nach jahrelanger propagandistischer Vorarbeit aber nur noch um eine gezielte Aktivierung zuvor suggerierter Einstellungen handelte, war Glaubwürdigkeit in propagandistischen Aussagen wohl auch gar nicht mehr nötig. Als Ergänzung zu den durch solche erlogene „Terror“-Propaganda erzeugten Hassgefühlen wurde eine emotional positiv erfahrene Solidarisierungskampagne mit den in Danzig und Polen lebenden Deutschen gestartet - auch das wiederum nach langjährigen Vorarbeiten.

Fußnoten

[1] Kölner Stadt-Anzeiger, 24.8.1939 (Morgenausgabe)

[2] Steinert, Krieg, S. 82ff. Zitiert nach ebenda

[3] Vgl. - auch zum Folgenden - Sywottek, Mobilmachung S. 215ff.

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