Friedrich Schiller – Der Triumph eines Genies

Friedrich Schiller – Der Triumph eines Genies ist ein deutscher Spielfilm, der 1940 unter der Regie von Herbert Maisch gedreht wurde.[1] Die NS-Filmprüfstelle verlieh dem Film. der am 13. November 1940 uraufgeführt wurde, die Prädikate staatspolitisch wertvoll, künstlerisch wertvoll und jugendwert.

Der Film behandelt die künstlerischen Anfänge des deutschen Dichters Friedrich Schiller im 18. Jahrhundert in Württemberg, das unter dem harten Regiment des Herzogs Karl Eugen zu leiden hat. So wagt etwa der Dichter Schubart offene Kritik, weshalb er unter Anwendung einer List verhaftet und in der Haftanstalt Asperg inhaftiert wird. Karl Eugen behandelt seine Untertanen wie sein Eigentum und zieht die begabtesten Söhne des Landes – oft gegen deren Willen - in einer Militärakademie zusammen, um sie zu Offizieren, Juristen und Medizinern ausbilden zu lassen. Hiervon ist auch der junge Friedrich Schiller betroffen, der auf herzogliche Anweisung Medizin studieren muss. Bald erwacht und wächst sein innerer Widerstand gegen den militärischen Drill an der Akademie.

Schiller schreibt in dieser Lage heimlich sein Drama „Die Räuber“ und fällt deswegen beim Landesfürsten in Ungnade. Nach der Uraufführung in Mannheim kehrt er nach Stuttgart zurück, um vor einem Strafgericht dem Herzog unerschrocken gegenüberzutreten und „Freiheit dem Geist! Freiheit dem Volk!“ zu fordern, was seine Situation nur noch verschlimmert und ihm lebenslangen Kerker einbringen könnte. Schiller kann jedoch aus dem Schloss entkommen und sich außer Landes in Sicherheit bringen.

Zeitgenössische Kommentare

Im „Film-Kurier“ wurde der Film 1940 so besprochen:

„Ist das überhaupt möglich, einen Schiller-Film zu machen? Schiller, der geliebteste Dichter des deutschen Volkes, der Abgott seiner Jugend, Schöpfer ihrer Lieblinge und Heldengestalten, wie des Karl Moor und des Fiesco, des Ferdinand und Don Carlos. Wie sollte es gelingen, die weite Größe dieses ganz und gar idealistischen Dichters zu fassen! Und gar sein Leben! Wie und wo sollte man beginnen: bei der heroischen Qual seiner Jugend, der kämpferischen Not der Mannesjahre, dem Leben und Suchen des Jenaer Universitätsprofessors und Geschichtsdramatikers, den Weimarer Dulderjahren des bereits von Tode gezeichneten Meisters und endlich dem tragisch frühen, aber triumphalen Ausklang eines an Erfolgen unt Kämpfen ebenso reichen Dichterlebens? Hätte nicht alle und ein jedes davon in einem Schiller-Film anklingen miis sen? Jeder weiß, dass so etwas unmöglich ist. Man muss sich für einen Ausschnitt dieses dramatischen Heldenlebens entscheiden. Wenn schon die Begrenzung und das Fortlassenkönnen eines der Gesetze jeder Kunstgestaltung ist, so bleibt es für die Kunst der Szene als auch des Films immer eines ihrer höchsten Gesetze, dass sie im Teil doch das Bild des Ganzen zu geben vermag, ja gerade in ihm das Wesentliche auszudrücken vermag.“

Die Produktionsfirma „Tobis“ teilte der Kinobranche mit:

„Hier ist Respekt nötig, Herr Theaterbesitzer! Durch diesen Film weht der starke Atem einer Schicksal stunde, der Stunde, in der ein erwachendes Genie sich seiner Berufung zu seiner Lebensaufgabe bewusst wird. (...) Die Tobis und alle Mitarbeiter dieses Schiller-Films haben alle Kräfte angespannt, um dieses Werk von nationaler Bedeutung zu einer Spitzenleistung des deutschen Films zu machen.“ (Appell der Tobis-Filmkunst an die deutsche Kinobranche)

Einordnung

In der Bundesrepublik suchte man recht früh nach einer Erklärung, wie es möglich war, dass während der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur Friedrich Schiller ohne Scheu als Rebell gegen die Obrigkeit seiner Zeit dargestellt wurde. Man sah einerseits eine Vereinnahmung Schillers als Vorgänger des „Genies“ Hitler, andererseits suchte man aber auch nach versteckter Kritik an der Naziherrschaft. Su beurteilte die Berliner Filmbegutachtungskommission für Jugend und Schule den Film am 30. Januar 1959 mit Blick auf einen beantragten Einsatz in bundesrepublikanischen Schulen: „Der Film kann nicht den Anspruch auf biographische Treue erheben. Das Lebensbild Schillers wird sehr frei gestaltet. Die zeitliche Abfolge der Ereignisse wird verändert, neue Personen werden erfunden, oder historische Personen werden in eine übertrieben schicksalhafte Beziehung zu Schiller gebracht (...). Obwohl aus der vorliegenden Kopie 300 m geschnitten wurden, spürt man noch, welcher Kompromisse es bedurfte, um einen solchen Film unter dem Naziregime überhaupt herzustellen (Schiller als ‚volkshafter’ Dichter). (...) Da der Film ein treffendes Bild des absolutistischen Zeitalters vermittelt und die Motive für das Aufbegehren des jungen Schiller gegen die Tyrannen erkennen lässt, wird der Film für Jugendliche von 14 Jahren an einstimmig empfohlen: für Schulfilmveranstaltungen, für die Jugendgruppenarbeit, für Jugend- und Schülerfilmclubs.“

Und Rudolf Oertel schrieb ebenfalls 1959 in seinem Buch „Macht und Magie des Films“: „Das erstaunlichste Filmkunstwerk überhaupt, das im Dritten Reich gedreht wurde. Erstaunlich, denn es war von der ersten bis zur letzten Szene eine flammende Anklage gegen die Unterdrückung des Geistes durch einen Tyrannen und Militärdespoten und stimmte mit allem Feuer echter Leidenschaft, umgeben von Konzentrationslagern, angesichts eines Volkes in Uniform und im Gleichschritt, unter dem Dröhnen der Kanonen und Bomben, trotzig das Hohelied der Freiheit an. ‚ln tyrannos’ hat Schiller seinen Räubern als Motto und trotzige Herausforderung vorangesetzt. ‚In tyrannos’ konnte man auch diesem Film voransetzen. Es bedurfte keiner besonderen Phantasie, um diese jedem Deutschen bekannte dramatische Episode aus der Jugend des Lieblingsdichters der Nation ins Aktuelle zu übersetzen. Den brutalen Tyrannenstaat, den verhassten Militärdienst, das gab es 1940 auch, ein Feldwebel, der wie ein Zuchtmeister aus einem Konzentrationslager wirkte, ein Herzog, der in seiner Brutalität und Tyrannei den Führern des Dritten Reiches alle Ehre machte, der alte Dichter, der wegen eines offenen Wortes im Gefängnis schmachtet (...) das war 1940 unerhört aktuell. Das Erstaunlichste aber waren die Worte, die in diesem Film gesprochen wurden. (...) Horst Caspar [als Schiller], glühend vor innerem Feuer, verkündete das Recht auf Menschenwürde und Freiheit und Menschlichkeit. (...) Und sogar im Titel war das Manifest des Trotzes zu hören. (...) Vielleicht war Goebbels so sehr überzeugt davon, wirklich ein Schirmherr der Künste zu sein, dass ihm gar nicht der Gedanke kam, dieser Film könnte auch ihn anklagen. Vielleicht auch passte es ihm ausnahmsweise, dass Militär und Drill eins auf die Kappe bekamen. Schließlich hinkte er, taugte nicht für den Militärdienst, war ein Zivilist und ein Intellektueller und liebte Schiller wirklich, auch ‚Die Räuber’.“

Rolf Giesen und Manfred Hobsch ordnen den Film in die Reihe der nationalsozialistischen „Genie“-Filme ein, in der „charismatische Künstler-Führer“, die unbeirrt und eigensinnig ihren Weg gingen, dargestellt wurden. Hierzu zählen die Streifen „Friedemann Bach“, die Mozart-Biographie „Wen die Götter lieben“ und „Andreas Schlüter“. Die dargestellten Ausnahmebegabungen hätten dabei auch Parallelen zur Person Adolf Hitlers aufzeigen sollen, wobei diese Absicht im Schiller-Film jedoch wiederholt unterlaufen worden sei. „Da durfte ein Friedrich Schiller seinem Herzog Karl Eugen sogar revolutionäre Worte entgegenschmettern, von Freiheit des Geistes, vom Triumph des Genies über die Staatsdoktrin. Doch wer hätte hier eine Parallele sehen müssen, wo die Monarchie zerbrochen.

Erwin Leiser interpretierte den Schiller dieses Films so: „Er ist das Genie, der geistige Führer, für den andere Gesetze gelten müssen. Der Autor der ‚Räuber’ ist ein Vorläufer des Verfassers von ‚Mein Kampf‘. Er ist ein Übermensch.“ Diese Stilisierung des Genies zum nationalen Heros entspricht laut Giesen und Hobsch dem, was Hitler in Bezug auf Schiller in „Mein Kampf“ formuliert habe, wo er ihn als „größten Pionier der Freiheit unseres Volkes“ bezeichnete.

Für das „Lexikon des internationalen Films“ zeigt der Film daher „eine merkwürdige politische Ambivalenz zwischen dem aufrührerischen in tyrannos und dem Geniekult der nationalsozialistischen Ideologie.“

Thomas Kramer konstatiert in „Reclams Lexikon des deutschen Films“, es handele sich um einen sorgfältig inszenierten Film über Schiller und seinen freiheitsliebenden Geist. Wie anderen Geniefilmen sei ihm die Funktion zugekommen, „deutsche Übermenschen zu stilisieren, die in der NS-Ethik Rechte besaßen, die dem Rest der Bevölkerung nicht zustanden.“ Dadurch sollten Parallelen zu Adolf Hitler hervorgerufen werden.

Heynes Filmlexikon nennt Friedrich Schiller daher eine merkwürdige „Mischung aus Freiheits- und Volkspathos“, in der hoch das Lied vom Übermenschen klinge, so dass der Film für die Nazis staatspolitisch wertvoll gewesen sei, und auch der katholische „Film-Dienst“ wies auf „eine merkwürdige politische Ambivalenz zwischen dem aufrührerischen „in tyrannos“ und dem Geniekult der nationalsozialistischen Ideologie“ hin. Das „Deutsche Filminstitut“ schließlich resümiert, dass der „kunstvoll inszenierte Film mit Starbesetzung“ noch heute die Filmkritiker entzweie: „während die einen darin einen Protest gegen die Unterdrückung 1940 sehen, finden andere in der Figur der genialen großen Deutschen Friedrich Schiller die Ideologie der Nationalsozialisten wiedergegeben.“

Fußnoten

[1] Die Darstellung folgt Giesen/Hobsch, Hitlerjunge, S. 272ff. und https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Schiller_%E2%80%93_Der_Triumph_eines_Genies (eingesehen am 28.3.2016)

zuletzt bearbeitet am: 01.11.2016

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