Schulsport im Nationalsozialismus

Eine „Turn- und Sportpflicht“ war schon 1920 im Programm der NSDAP festgeschrieben worden, und in „Mein Kampf“ hatte Hitler frühzeitig die aus der Überbetonung des Körperlichen erwachsenden Konsequenzen für die Gewichtung des Schulunterrichts skizziert.[1] „Der völkische Staat“ habe „seine gesamte Erziehungsarbeit in erster Linie nicht auf das Einpumpen bloßen Wissens“ auszurichten, „sondern auf das Heranzüchten kerngesunder Körper“. Die Schule müsse daher künftig „unendlich mehr Zeit freimachen für die körperliche Ertüchtigung“.

Die rassenideologisch und militärisch motivierten Ziele der „Erziehung“ im NS-Staat im Allgemeinen wie die Ausrichtung des künftigen Schulunterrichts im Besonderen lagen auf der Hand und wurden keineswegs verschwiegen. Bei den Jungen wünschte man keine „geistreichen Schwächlinge“ sondern körperlich gestählte Schüler. So sah man gewährleistet, dass die Armee künftig „den körperlich bereits tadellos vorgebildeten jungen Menschen nur mehr in den Soldaten verwandeln“ müsse. Das „Ziel der weiblichen Erziehung“ war ebenso klar definiert und bestand „unverrückbar“ darin, „die kommende Mutter“ zu sein, deren „heilige Kulturausgabe“ darin bestand, „Hüterin und Trägerin neuen Lebens“ zu sein. Auch die damit eingeforderte gesteigerte Fortpflanzungsfähigkeit setzte eine hohe körperliche Belastbarkeit voraus.

Es verwundert daher nicht, dass massive Veränderungen beim Sport zu den ersten Maßnahmen zählten, die das NS-Regime in den Schulen umsetzte. Die damit einhergehende Aufwertung des Schulsports war nach 1933 die wohl hervorstechendste Veränderung in den Stundenplänen aller Schulformen. So wurde der Sportunterricht zwischen 1933 und 1935 von zwei auf fünf Stunden erhöht, die 1937 endgültig festgeschrieben wurden. Damit stieg er zum wichtigsten Schulfach auf.

Die „Richtlinien für die Leibeserziehung an Jungenschulen“ fassten als erster und entscheidender Sportlehrplan der NS-Pädagogik 1937 dann die Zielsetzung knapp zusammen: „Volk, Wehr, Rasse und Führertum sind die Richtungspunkte auch für die Gestaltung der Leibeserziehung“ Ziele der körperlichen Erziehung waren fortan Rassenbewusstsein, die Vermittlung von Kraftgefühl und die Kampfeshaltung des sogenannten „politischen Soldaten“. Es ging also nicht mehr um das Wohlergehen des einzelnen, sondern die gesellschaftliche Funktion des Sports wurde so einseitig wie radikal auf das soldatische Kämpfertum reduziert.

Dieser Entwicklung trugen auch die Zeugnisformulare Rechnung, in denen der Schulsport bald nicht nur an erster Stelle aufgeführt, sondern in fünf Teilbereiche unterteilt wurde. Turnen, Leichtathletik, Schwimmen und Spiele wurden künftig einzeln mit Punkten bewertet, während die „Allgemeine körperliche Leistungsfähigkeit“ mit einer der bekannten Schulnoten beurteilt wurde. Hierzu zählten bei den Jungen nun auch Boxen, Keulenwurf (oft mit Attrappen von Handgranaten), Geländesport und Schießübungen.

Günther Roos erinnert sich an Veränderungen im Lehrplan:

 

Die sportlichen Leistungen wurden aber nicht nur differenziert benotet, sondern ihnen kam zugleich auch die Funktion eines Ausleseinstruments zu - auch wenn das in der Praxis zumeist nicht so streng angewendet wurde, wie es die Richtlinien vorschrieben. Wer im Sportunterricht ungenügende Leistungen zeigte oder sich der ausgeweiteten sportlichen Betätigung verweigerte, musste damit rechnen, als „ungeeignet“ oder gar „unwürdig“ eingestuft und vom weiteren Besuch weiterführender Schulen ausgeschlossen zu werden. Bei der Aufzucht des „neuen Menschen“ sollte auf geistreiche Stubenhocker und Kranke keinerlei Rücksicht genommen werden.

Das Boxen

Das Boxen war 1926 in Preußen als Schulsport vom zuständigen Minister ausdrücklich verboten worden. Gerade Boxen schien den Nationalsozialisten aber besonders geeignet für die gezielte Förderung soldatischer Tugenden, denn nach Meinung Hitlers wurde so die „blitzschnelle Entschlusskraft“ ebenso gefördert, wie die Fähigkeit, „auch Schläge ertragen zu lernen“. Daher bot der neue preußische NS-Erziehungsminister Rust 1933 das Boxverbot für Schulen umgehend auf und empfahl stattdessen seine Förderung. Mit der dritten Turnstunde erfolgte dann ab 1935 durch die Einstellung von Boxsportlern als Lehrern eine Intensivierung des Boxens als Schulsport.

Insgesamt wurde ab 1933 der Übungsstoff der schulischen Sportstunden vornehmlich danach ausgesucht, in welchem Maße sie der Wehrerziehung dienten. Boxen wie überhaupt alle Zweikampfformen, Mannschaftskampfspiele – hier insbesondere Fußball -, Leichtathletik und Geländesport aller Art, insbesondere Hindernisläufe und Hindernisstaffeln, Geräteturnen als angewandtes Hindernisturnen sowie Schwimmen konstituieren den ganz auf Wehrertüchtigung zugeschnittenen Turnunterricht der Jungen.

Das führte letztlich dazu, dass das Schulturnen während der NS-Zeit durch ein äußerst reduziertes Sportverständnis geprägt wurde. Alle offiziellen Aussagen rücken auch den Schulsport immer in die Nähe von Kampf, Anstrengung, Gefahr und betonten so eher „die dunklen Seiten“ sportlicher Betätigung, die auf das Aushalten der Anstrengung, das Durchstehen der Gefahr und das Erdulden von Schmerz ausgerichtet waren. Freude, Wohlbefinden oder gar individuelles Glück spielten hingegen praktisch keine Rolle mehr.

Boxen als Schulfach an der Oberrealschule in Münster (1939):

Dieser dreiminütige Ausschnitt aus einem Amateurfilm entstand im Zeitraum 1939/40 in Münster. Er zeigt, wie das Boxen als eigenständiges Fach als Teil des Sportunterrichts Einzug in die Schulen hielt. Der für die Kamera inszenierte Kampf auf dem Schulhof zeigt deutlich, dass es dabei keineswegs sanft zuging, sondern dass die Schüler mit voller Kraft aufeinander einschlugen.

Der Film (Nr.330) wurde freundlicherweise vom LWL-Medienzentrum für Westfalen zur Verfügung gestellt.

 
Fußnoten

[1] Vgl. insgesamt Joachim Trapp: Kölner Schulen in der NS-Zeit, Köln 1994, S. 104ff. und Christa Kleindienst-Cachay: Schulsport im Dritten Reich; in: Lehren und Lernen 15 (1989), S. 68-81

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