Der 26. April 1942
Am Sonntag, den 26. April 1942 notierte Günther Roos in sein Tagebuch: „Um 8 Uhr war ich in der Kirche. Von ½10 bis ½12 habe ich das HJL [d.i. HJ-Leistungsabzeichen] abgenommen. Nachmittags sprach der Führer. War das eine Rede! Adolf Hitler hat jetzt die absolute Gewalt, jeden an seine Pflicht zu mahnen. England wird jetzt auch wieder Bomben kennen lernen. Es wird auch Zeit. Abends war ich mit Mutter in dem Film ‚Brüderlein fein‘.“
Was hier so begeistert wie beiläufig klingt, war vom 17-jährigen Jungvolkführer durchaus richtig erfasst worden.[1] An diesem Tag hielt Hitler im Reichstag nämlich eine Rede, die nicht nur – was zu diesem Zeitpunkt niemand ahnen konnte – die letzte vor diesem Gremium sein sollte, sondern an deren Ende eine weitere erhebliche Ausdehnung seiner Machtbefugnisse stand.
In seiner gut einstündigen Ansprache ließ er sich zunächst über die Ursache des Kriegsausbruchs von 1939 aus, gab eine geschichtliche Analyse des britischen Weltreiches und seines angeblich bevorstehenden Verfalls, erwähnte das „internationale Judentum“, das in allen Feindstaaten am Werke sei, und gab einen Überblick über die erfolgreichen deutschen Feldzüge in den voran gegangenen Jahren. Anschließend thematisierte er die überstandene Krise des Winterfeldzuges 1941/42, aus der er schließlich den inhaltlichen Kern der Rede, nämlich den unbedingt erforderlichen Einsatz aller Kräfte zur Erringung des Sieges ableitete.
In diesem Zusammenhang griff er etwa jene Beamten und Angestellten an, die auf ihr Recht auf Urlaub pochten, während die Soldaten an der Ostfront unter Entbehrungen litten, um dann fortzufahren: „Es kann in dieser Zeit keiner auf seine wohlerworbenen Rechte pochen, sondern jeder muss wissen, dass es heute nur Pflichten gibt. Ich bitte deshalb den Deutschen Reichstag um die ausdrückliche Bestätigung, dass ich das gesetzliche Recht besitze, jeden zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten bzw. denjenigen, der seine Pflichten nach meiner gewissenhaften Einsicht nicht erfüllt, entweder zur gemeinen Kassation zu verurteilen oder ihn aus Amt und Stellung zu entfernen ohne Rücksicht, wer er auch sei oder welche erworbenen Rechte er besitze.“ Dabei hatte Hitler auch die deutschen Richter im Fokus, deren Urteile nicht seiner Auffassung entsprachen: „Ich werde von jetzt ab in diesen Fällen eingreifen und Richter, die ersichtlich das Gebot der Stunde nicht erkennen, ihres Amtes entheben.“
Im überlieferten Tonfragment seiner Reichstagsrede führte Hitler u.a. aus: „Bei diesem gewaltigen geschichtlichen Erfolg war es notwendig, nur in ganz wenigen einzelnen Fällen von mir einzugreifen. Nur dort, wo die Nerven brachen, der Gehorsam versagte oder mangelndes Pflichtbewusstsein bei der Meisterung der Aufgabe in Erscheinung trat, habe ich harte Entscheidungen getroffen, und zwar Kraft des souveränen Rechtes, das ich glaube, von meinem deutschen Volk hierfür bekommen zu haben. [Applaus] Wir Deutsche haben in diesem Ringen um Sein oder Nichtsein nur alles zu gewinnen, denn der Verlust dieses Krieges würde ohnehin unser Ende sein. Die innerasiatische Barbarei würde über Europa kommen wie in Zeiten der Hunnen- oder der Mongolenstürme. Niemand weiß das besser als der deutsche Soldat und die mit ihm verbündeten Nationen, die an der Front das Wesen der bolschewistischen Menschheitsbefreiung kennenlernten, die mit ihren eigenen Augen sehen, wie das Paradies der Arbeiter und Bauern in Wirklichkeit aussieht. Und wer es nun richtig geschildert hat, der Nationalsozialismus und der Faschismus oder unsere Gegner. In diesem Kampf wird am Ende die Wahrheit siegen. Sie aber ist bei uns.“