Rassismus im Schulunterricht

Wie der Schulbetrieb insgesamt, so richteten sich auch einzelne Schulfächer nach 1933 an den Forderungen der NS-Ideologie aus.[1] Das war leichter gesagt als getan, denn das NS-Regime verfügte 1933 keineswegs über eine stringente Schulkonzeption. Lehrpläne fehlten völlig, und es sollte noch Jahre dauern, bis zwischen 1937 und 1939 erste verbindliche Richtlinien für den Unterricht an Volksschulen und höheren Schulen zur Verfügung standen.

Die NS-Schulpolitik war somit alles andere als eine planvolle Verwirklichung eines klar umrissenen weltanschaulichen Programms, sondern eher eine Abfolge von propagandistisch aufgebauschten ad-hoc-Maßnahmen.[2] Daraus darf aber keineswegs geschlossen werden, dass die Wirkung solchen Unterrichts - gepaart mit den übrigen Beeinflussungen durch HJ, Medien und Elternhaus - auf die Schüler gering war.

Das gilt insbesondere für den rassekundlichen Unterricht, der von Kultusminister Rust als eine der ersten Lehrplanänderungen im September 1933 in sämtlichen Schulen Preußens eingeführt wurde. Im entsprechenden Erlass hieß es unmissverständlich: „Die Kenntnis der biologischen Grundtatsachen und ihrer Anwendung auf Einzelmensch und Gemeinschaft ist für die Erneuerung unseres Volkes unerlässliche Voraussetzung. Kein Schüler und keine Schülerin darf ohne diese Grundwissen ins Leben entlassen werden.“ Um das zu gewährleisten, musste das neue Unterrichtsfach mit genügend Unterrichtsstunden ausgestattet werden. Die Schulleitungen der höheren Schulen wiesen der Rassenkunde künftig drei Wochenstunden zu, die an anderer Stelle - etwa im fremdsprachlichen oder mathematischen Unterricht - eingespart werden mussten.

Günther Roos erzählt über NS-Ideologie im Unterricht:

 

Der Unterricht selbst verfolgte eindeutige Ziele, über die der Direktor des katholischen Dreikönigsgymnasiums in Köln Ende März 1934 dem Oberpräsidium berichtete, dass neben den biologischen Grundlagen der Vererbungslehre die „Reinerhaltung der Rasse des deutschen Volkes" ebenso Unterrichtsgegenstand sei wie etwa die Gefahren von deren „Unterwanderung“ durch Juden oder Polen. Auch die „Gesunderhaltung des deutschen Erbgefüges durch Verhinderung der Fortpflanzung Erbkranker und durch Förderung der Fortpflanzung der Erbgesunden“ sei unter anderem am Beispiel des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ behandelt worden. So würden die Schüler lernen, „die Begründung für die zu diesem Zweck erlassenen Gesetze und getroffenen Maßnahmen in der Vererbungslehre und die Notwendigkeit solchen Handelns in der biologischen Krise des deutschen Volkes zu suchen“. Auf diese Weise werde erreicht, neben dem reinen „Wissen um diese Dinge“ auch die „Einsicht in die unbedingte Notwendigkeit rassehygienischen Handelns“ zu vermitteln. Zusammenfassend könne aufgrund der ersten Erfahrungen mit dem Unterrichtsfach Rassenkunde gesagt werden, dass es „durchaus gelungen“ sei, „die Seele unserer Schüler für Erb- und Rassenpflege und für die Erkenntnis der biologischen Notwendigkeit des Gesamtvolkes zu gewinnen“.

Der entsprechende Anschauungsunterricht wurde den Schülern in Form der tagtäglichen Diskriminierung und Vertreibung ihrer jüdischen Lehrer und Mitschüler gleich mitgeliefert - häufig unter Zuhilfenahme von Artikeln aus dem antisemitischen Hetzblatt „Der Stürmer“.

Dem NS-Regime gelang es, vom ersten bis zum letzten Schuljahr in jeder Schulform seinen Einfluss wirkungsvoll geltend zu machen. Dabei wurde in Kauf genommen, dass der Fachunterricht häufig aufgrund der stetigen Überfrachtung mit politisch-ideologischen Inhalten den Namen des jeweiligen Fachs oftmals nicht mehr verdiente. Deutsch, Geschichte und insbesondere Biologie wurden zu „Gesinnungsfächern“. Ihre Inhalte waren seitens der Lehrer stets „in Beziehung zur Idee des Nationalsozialismus zu setzen“. Die Kölner Stadtschulräte etwa definierten diesen Blickwinkel im Mai 1939 so: „Entscheidend für die Beurteilung eines geschichtlichen Ereignisses kann nur sein, ob es für die Entwicklung der Einheit und Größe des Volkes fördernd oder hemmend war.“

Fächerübergreifend galten Hitlers „Mein Kampf“ und der darin beschworene „Kampf um das Dasein“ als zentrale Orientierungshilfe. Die Schüler sollten zur absoluten Gefolgschaft bis zum Äußersten und zugleich zu überzeugten Rassisten erzogen werden.

Günther Roos erzählt über Rassismus im Unterricht:

 

Aus der „Kulturfilm-Abteilung“ – NS- Rassenpolitik im Film

Die Schule der NS-Zeit erhob den Film zu einem neben dem Buch gleichberechtigten Lehr- und Lernmittel. So nutzte das NS-Regime auch das Medium Film, um unter dem Deckmantel angeblich wissenschaftlicher Dokumentation für seine aggressive Rassenpolitik in der Bevölkerung zu werben.

Hierzu ein eindrückliches Beispiel: Ausgehend von harmlos anmutenden Beispielen aus der Pflanzen- und Tierwelt wird in diesem von der „Kulturfilm-Abteilung“ der Ufa produzierten „Lehrfilm“ ein rassenideologisch geprägtes Weltbild vermittelt, das von den Polen „Aufartung“ und „Ausmerze“ bestimmt ist. Besonders infam wirkt der Schluss des Propagandafilms. Er fordert dazu auf, Kranke und soziale Schwache „auszumerzen“ und lässt über die Bestimmung „gesunder deutscher“ Jungen und Mädchen als Soldaten bzw. Mütter künftiger Soldaten keinen Zweifel.

 
Fußnoten

[1] Die Darstellung folgt Trapp, Schulen, S. 93ff.

[2] Vgl. Zymek, Schule, S. 191

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