Einordnung
In seiner „zentralen Szene“, so Erwin Leiser in seinem 1968 erschienen Buch „Deutschland erwache!“, zeige der Film, „dass die NS-Propaganda den englischen Imperialismus als die gefährlichste Bedrohung des deutschen Anspruchs auf Kolonien“ auffasse. „Vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss unterstreicht Carl Peters als Sprecher einer hitleristischen Eroberungspolitik in der Uniform eines wilhelminischen Reichskommissars, dass die deutsche Nation bei der Verteilung der Welt vom 15. Jahrhundert an bis auf den heutigen Tag leer ausgegangen ist - und Kolonien erobern muss. ‚Erwerben kann man nämlich nicht vom grünen Tisch aus, sondern nur durch Männer, die hart und selbstbewusst sind und nicht solche, die sich bei jedem Stirnrunzeln der Engländer in die Hosen machen. ‘„
Nach Rolf Giesen und Manfred Hobsch ist „Carl Peters“ als für den deutschen Kolonial-Film „typisch“ einzustufen, weil Herbert Selpin ihn konsequent als anti-englische Propaganda angelegt habe, wie sie damals von Joseph Goebbels gefordert wurde. Als Gegner der deutschen Kolonialpolitik würden außer den Engländern auch die Sozialdemokraten und besonders die Juden angegriffen und verächtlich gemacht. Die Realität war hingegen eine völlig andere: „Die historische Persönlichkeit Carl Peters wurde einer propagandistischen Wandlung zwecks Geschichtsfälschung unterzogen, denn in Wirklichkeit war er ein zwielichtiger Bursche, der wegen seiner an Eingeborenen begangenen Grausamkeiten 1887 sein Amt niederlegen musste. Im Jahr darauf ging er nach England und gründete dort eine deutsch-englische Gesellschaft zur Ausbeutung goldhaltiger Ländereien in Rhodesien. Nach Deutschland kam er erst kurz vor dem Ersten Weltkrieg zurück.“
Die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung urteilt: „Mit dem Propagandafilm ‚Carl Peters‘ wollten die Nationalsozialisten dem frühen Vertreter des Kolonialismus ein Denkmal setzen, verfälschten dabei aber die historischen Zusammenhänge und Personendarstellungen, um diese ihrer Ideologie anzupassen. So wird beispielsweise die Kolonisation als politischer Fortschritt dargestellt, der aber durch die ‚bösen‘ jüdischen und sozialdemokratischen Parlamentarier verhindert wird. Die Titelrolle, gespielt von Hans Albers, ist als Vorläufer und Vertreter der Expansionspolitik Hitlers zu sehen. Er wird als Ehrenmann inszeniert, obwohl die historische Person Carl Peters eine rassistische Einstellung vertrat und wegen völkerrechtswidrigem Verhalten gegen afrikanische Einheimische aus seinem Amt als Reichskommissar entlassen wurde. Die Geschichte über eine historische Persönlichkeit, in der Zeit der Kolonisation in Afrika, wird auch in einem weiteren kostspieligen ‚Großfilm‘ des Dritten Reichs – ‚Ohm Krüger‘ – erzählt. Allerdings kam ‚Carl Peters‘ im Gegensatz zu diesem nicht gut bei der Presse und dem Publikum an und konnte die Produktionskosten nicht wieder einspielen. Einen Tag vor der Premiere hatte die Öffentlichkeit von der Bildung des Deutschen Afrika-Korps gehört und Hitler hatte den kommandierenden General des Korps, Generalleutnant Erwin Rommel, mit dem Eichenlaub-Ritterkreuz ausgezeichnet. Hitler ging es bei dem Propagandafilm weniger um das Thema der Erschließung Afrikas als vielmehr darum, die britische Invasion zu verhindern und den Einsatz der deutschen Truppen im Afrikafeldzug zu rechtfertigen.[2]
Dirk C. Loew urteilte in „fimtexte“: „In ‚Carl Peters‘ muss sich der ‚historische‘ Titelheld, einst Befehlshaber in einer deutschen Kolonie in Afrika, in Deutschland vor dem Parlament des Kaiserreichs verteidigen. Die Parlamentarier sind weltfremde Plaudertaschen, der NS-Film schildert hier erneut eines seiner beliebtesten Motive, das des demokratisch legitimierten Parlaments als ‚Quasselbude‘. Der alte Militär dagegen verteidigt seine Maßnahmen, darunter die Errichtung von Lagern, als notwendig.“ [3]
In einer neueren Besprechung des Films äußert Hans Schmid, dass die Überlegungen des historischen Carl Peters zu Deutschtum und Lebensraum gut zur NS-Ideologie gepasst hätten, „nur eben mit Afrika statt Osteuropa, das Hitler erobern und ‚arisieren‘ wollte“. „So ist es auch nicht verwunderlich, dass der von Herbert Selpin von September 1940 bis Januar 1941 auf Rügen und in den Barrandov-Studios bei Prag gedrehte Propagandafilm Carl Peters damit beginnt, dass der frisch promovierte Held just in dem Moment in seinen Heimatort Neuhaus an der Elbe zurückkehrt, in dem dort ein Sonderzug mit Auswanderern verabschiedet wird, die sich in Hamburg nach Amerika einschiffen wollen, weil es in Neuhaus nicht genug Ackerland für sie gibt. Das sind die Deutschen, die dem Deutschtum nun verloren gehen, weil sie von der angelsächsischen Kultur geschluckt und zu Amerikanern werden. Mit deutschen Kolonien in Afrika wäre das nicht passiert. ‚Warum muss Deutschland Kolonien haben?‘, wird Dr. Peters später fragen. Seine Antwort: ‚Weil Deutschlands Grund und Boden in keinem Verhältnis zu der ständig anwachsenden Größe seines Volkes steht.‘ Bei ihm klingt das so, als wäre der Rest der Welt schuld daran, dass die Deutschen ein ‚Volk ohne Raum‘ sind. Darum, soll sich der Zuschauer denken, hat Deutschland das Recht, sich zu nehmen, was ihm aus purer Gemeinheit vorenthalten wird.“
Solche „Persönlichkeitsfilme“, fährt Schmid unter Verwendung eines von Joseph Goebbels kreierten Begriffs allgemeiner fort, seien immer nach demselben Muster gestrickt: „Genialer Forscher und Erfinder (Diesel; Geheimakte WB I; Robert Koch, Bekämpfer des Todes), genialer Politiker (Bismarck; Die Entlassung), genialer Künstler (Friedrich Schiller, Andreas Schlüter, Friedemann Bach, Wen die Götter lieben) geht unbeirrbar seinen Weg, weil er weiß, dass er im Recht ist und Land, Leuten und Kultur gegenüber eine höhere Verpflichtung hat, weshalb jede kleinkarierte Bedenkenträgerei hintan stehen muss. Parallelen zwischen den Führerfiguren dieser Filme und Adolf Hitler waren erwünscht und beabsichtigt, wurden jedoch nicht breitgetreten. Goebbels’ Überzeugung nach steigerte es die Wirkung der Propagandabotschaft, wenn der (möglichst geschickt gelenkte) Zuschauer solche Verbindungen zwischen den Heroen der Vergangenheit und dem Führer des Dritten Reichs selber herstellte, statt im Dialog direkt gesagt zu kriegen, was er denken sollte.“ Das war auch der Grund, weshalb der zunächst begeisterte Goebbels sich mit dem fertigen Film nicht mehr einverstanden zeite: „Zuviel Leitartikel und zu wenig Handlung. Die Tendenz ist zu dick aufgetragen, die Passagen gegen das damalige Regime zünden nicht. Ich bin sehr unbefriedigt davon.“
Zum Ende seiner ausführlichen Filmbesprechung wiederholt Hans Schmid seine Sicht auf den bundesrepublikanischen Umgang mit den sogenannten „Vorbehaltsfilmen“: Ironischerweise habe gerade diese selbst in Goebbels Augen zu dick aufgetragene „Tendenz“ den Film dafür prädestiniert, einen Platz auf der Liste der Vorbehaltsfilme zu bekommen. „Faustregel: Holzhammer-Propaganda mit Krieg, Uniformen und ressentimentgeladenen Dialogen - ab in den Giftschrank damit.“ Dagegen seien weitaus subtilere und daher zweifellos im Sinne der NS-Ideologen wirksamere Streifen mit Segen von Murnau-Stiftung und FSK erfolgte als vorgeblich „harmlose Unterhaltung“ freigegeben worden. „Diesen traurigen Befund wiederhole ich hier zum x-ten Mal, weil mir bestimmt jemand zum x-ten Mal vorwirft, dass ich die Deutschen schutzlos der Nazipropaganda aussetzen will. Das will ich nicht. Ich hätte nur gern eine Strategie, wie man mit solchen Filmen umgeht. Fast 70 Jahre nach dem Krieg ist das nicht zu viel verlangt. Im Moment haben wir nur die Überreste einer Verbotsliste von 1945, von der keiner genau weiß, wie sie zustande kam. Das ist die Propaganda, vor der man uns schützt, indem man uns bevormundet. Meiner Meinung nach erreicht man damit das genaue Gegenteil, weil man durch Verbote die Diskussion darüber behindert, was Nazipropaganda war (und ist) und wie sie funktioniert. Ein Verbot, das 1945 vielleicht gut begründet war, kann heute der blanke Unsinn sein.“ [4]