Richtlinien über Wehrerziehung
Am 10. Februar 1940 erließ auch die Abteilung für Höheres Schulwesen beim Oberpräsidium Westfalen einen Erlass zum Thema „Richtlinien über Wehrerziehung“. Er lautete: [4]
„Unter dem Vorbehalt abweichender Bestimmungen des Herrn Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung sind für die Aufgabe der Wehrerziehung an den höheren Schulen meines Amtsbereichs folgende Richtlinien zu beachten:
In einem ‚totalen Kriege‘, wie ihn die nationalsozialistische Weltanschauung zur Verteidigung des Lebens, der Freiheit und der Ehre des deutschen Volkes fordert, wirken nicht nur Staatsführung, Wehrmacht und Bewegung, an ihrer Spitze in der Persönlichkeit des Führers vereinigt, aufs engste zusammen; auch der Einsatz aller wirtschaftlichen, kulturellen und moralischen Kräfte unseres Volkes unter einheitlicher Führung ist notwendig, um den Sieg Großdeutschlands in dem für das Schicksal des deutschen Volkes ebenso wie für das Heil und den Frieden Europas und der ganzen Welt entscheiden^ den Kriege zu sichern.
Um dieser großen geschichtlichen Aufgabe zu dienen, hat auch die Schule mit ihrer Erziehungsarbeit sich einzugliedern in ihren großen Zielsetzungen ebenso wie in der täglichen Kleinarbeit ihres Erziehungslebens« Daraus entspringt der Gedanke der Wehrerziehung der Schule, die mit der allgemeinen Charaktererziehung und der politischen Erziehung innig verknüpft werden muss. Bei dieser Aufgabe sollen Schule und Erzieher mit der Wehrmacht, dem NS-Lehrerbund und der HJ eng und einmütig Zusammenarbeiten.
I. Charakterliche Wehrerziehung. (Allgemeines).
Indem die nationalsozialistische Schule die Charaktererziehung in Verbindung mit der politisch-weltanschaulichen Erziehung an die erste Stelle setzt, schafft sie eine wichtige Voraussetzung für die Wehrerziehung. Die Charaktererziehung erfährt in der Wehrerziehung einen erhöhten Ansporn und die Ausrichtung auf ein bestimmtes Ziel. Der junge Mensch soll angesichts des ungeheuren Einsatzes der ganzen Volkskraft im Kriege, in dem Front und Heimat zusammenstehen, auch an sich selbst die höchsten Anforderungen in der Schularbeit stellen. Er soll verstehen lernen, dass es seine Pflicht ist, den für ihn erreichbaren höchsten Grad an Tüchtigkeit zu er= streben, damit er künftig seinem Volke sein Bestes geben, und wenn es von ihm gefordert wird, bei der härtesten Probe im Kriege als Soldat sich bewähren kann. Er soll den Sinn des Fichte‘schen Wortes begreifen! Auch von Deiner Leistung und Deinem Einsatz hängt ‚das Schicksal der deutschen Dinge‘ ab.
In dieser Haltung sollen Erzieher und Schüler gestärkt und angefeuert werden durch den unerschütterlichen Glauben an die Sendung des deutschen Volkes und an den Sieg der deutschen Waffen. Die Gestalt des Führers als die Verkörperung dieses Glaubens und Vorbild dieser Haltung soll den Schülern immer wieder vor Augen gestellt werden.
Diese Charaktererziehung soll durch das gesamte Schulleben, durch gestraffte Zucht in der Schulordnung wie im Unterricht, durch Feiergestaltung und durch Pflege der Verbindung der Schule mit dem Leben in der Heimat und an der Front gefördert werden. Im Einzelnen wird folgendes angeordnet:
1. An jeder höheren Schule soll während der Zeit des Krieges einmal in der Woche, am besten am Montag, vor Beginn des Unterrichts, eine kurze erhebende Gemeinschaftsfeier stattfinden (Dauer 15-20 Minuten) Mittelpunkt dieser Feier bildet eine Ansprache des Leiters (der Leiterin) der Schule oder eines Erziehers (einer Erzieherin), die am besten an den Wochenspruch der Bewegung anknüpft (zu beziehen durch den Franz Eher-Verlag in München) und die politischen und militärischen Ereignisse der vorangegangenen Woche der Jugend nahe bringt. Umrahmt werden soll diese Feier durch Musik, insbesondere durch Lieder der Schulgemeinde, wobei auch die neuesten Lieder von Wert erklingen sollen. Diese Feier gibt auch Gelegenheit, persönliche Nachrichten über Erzieher und Schüler, die an der Front stehen, mitzuteilen.
Darüber hinaus ist der Leiter (die Leiterin) der Schule berechtigt, bei großen politischen oder militärischen Ereignissen die Schulgemeinschaft am Tage des Bekanntwerdens oder am darauffolgenden Tage zu einer kurzen Feier zusammenzurufen.
2. Im Flur jedes Schulgebäudes soll, wie das an einigen Schulen schon üblich ist, an einer für alle Schüler sichtbaren Stelle ein wöchentlich wechselnder Spruch angebracht werden. Ich verweise auf ein Beispiel von Gemeinschaftsarbeit einer höheren Schule in Dortmund, wo eine Tafel und schön geformte bewegliche Buchstaben in Holz für diesen Zweck im Werkunterricht gefertigt worden sind. Ebenso soll im Flur eine große Karte des Hauptkriegsschauplatzes, möglichst von Schülern gefertigt und nach Bedarf vervollständigt, angebracht werden, auf der die Fronten und die durch die Kriegsereignisse bemerkenswerten Orte und Zeichen (Fähnchen usw.) kenntlich gemacht werden.
3. Vertretern der Wehrmacht soll die höhere Schule Gelegenheit geben, auf die Jugend, namentlich die reifere Jugend durch Vorträge im Geiste der Wehrerziehung einzuwirken und für den Beruf des Offiziers oder für eine bestimmte Formation zu werben. Besuche von Kasernen, Flugplätzen und Vorführungen der Wehrmacht sollen die Anschauung von der Ausbildung des Soldaten und seiner Tätigkeit im Kriege fördern und das Interesse des Schülers an den Kriegshandlungen wie am Soldatenberuf wecken.
4. Durch Briefwechsel, Liebesgaben, Arbeiten für die Frontsoldaten sowie durch Besuche von Erziehern und ehemaligen Schülern, die von der Front kommen und sich auf Urlaub in der Heimat befinden, soll die Verbindung zwischen Schule und Front lebendig erhalten werden.
5. Die Kriegsmaßnahmen der Heimat sollen den Schülern im Unterricht erklärt und die selbstverständliche Verpflichtung des Gehorsams in der Beachtung aller Vorschriften soll ihnen eingeprägt werden. Hamsterei und Miesmacherei sollen verächtlich gemacht und Verrat am deutschen Volke in seinem Schicksalskampf gebrandmarkt werden. Vor Flüsterpropaganda soll gewarnt werden, ohne konkrete Beispiele anzuführen. Die Selbstzucht in der Erfüllung der Schweigepflicht soll von den Erziehern vorbildlich geübt und den Schülern ans Herz gelegt werden. Auf diese Weise darf auch ein günstiger Einfluss der Schule auf das Elternhaus erwartet werden.
II. Geistige Wehrerziehung (Besonderes):
Wehrerziehung ist kein Unterrichtsfach der höheren Schule, sondern Unterrichtsgrundsatz, d.h. von allen Fächern aus soll im Rahmendes Lehrplans sowohl wie in lebendiger Verbindung mit den großen Ereignissen der Gegenwart Wehrerziehung getrieben werden. Wenn auch die Willensbildung und die Begeisterung für die großen Leistungen von Wehrmacht, Staat und Partei an erster Stelle stehen, so sollen doch Erkenntnisse über die Voraussetzungen und Mittel der Kriegsführung sowie über geschichtliche und politische Zusammenhänge vermittelt werden, die ein tieferes Verständnis der politischen und militärischen Ereignisse ermöglichen. Eine Wehrkunde wird daher von verschiedenen Fächern aus in den Grenzen der Zeit, die durch die Forderungen der Lehrpläne gesetzt sind, betrieben werden müssen. Bezüglich der ‚Pflege der Luftfahrt‘ verweise ich auf den eingehenden und umfassenden Ministerialerlass vom 11.11.1934 - EU III NX. 10.1. Zu den einzelnen Fächern sei folgendes bemerkt:
a) Geschichte
Der Geschichtsunterricht muss neben dem Stoff des Lehrplans die Geschichte der Gegenwart in allen wichtigen Ereignissen verfolgen und je nach der Klassenstufe die geschichtlichen Erkenntnisse vermitteln, die zu einem vertieften Verständnis der Ereignisse notwendig sind. Beherrschend für die Beurteilung aller Ereignisse ist das Lebensinteresse des deutschen Volkes, sein Siegeswille und die Vernichtung seiner Feinde im Kriege. In allen Klassen sind Karten der Kriegsschauplätze aufzuhängen, auf denen die Entwicklung der kriegerischen Ereignisse verfolgt und durch Zeichen kenntlich gemacht wird.
Neben dieser direkten Behandlung der Zeitgeschichte soll der Geschichtslehrer darauf bedacht sein, im Rahmen des Lehrplans wichtige Beziehungen und Vergleiche zwischen Vergangenheit und Gegenwart aufzuzeigen. Naturgemäß wird die Kriegsgeschichte neben der politischen Geschichte in den Vordergrund treten müssen von dem Gesichtspunkt aus, dass durch Entscheidungen auf dem Schlachtfeld die Geschichte der Völker in weitgehendem Masse gestaltet wird. Besondere Beachtung ist den Vergleichen zwischen dem Weltkrieg und dem gegenwärtigen Krieg zu schenken.
b) Erdkunde:
Eine besonders enge Verbindung mit dem Geschichtsunterricht wird durch die Zeitgeschichte gefordert. Auch hier sind außerhalb des Lehrplans Erkenntnisse zu vermitteln, die zum Verständnis der großen Ereignisse der Gegenwartsgeschichte notwendig sind. Neben der Beachtung der großen wehrgeographischen und wehrpolitischen Gesichtspunkte darf die Erwerbung von positiven Kenntnissen der Länderkunde, insbesondere der Kriegsschauplätze nicht vernachlässigt werden.
c) Deutsch:
Zunächst wird der Grundsatz der Wehrerziehung die Wahl des Lesestoffes stark beeinflussen. Hier ist nicht nur an Kriegslyrik, Kriegsroman und Kriegsdrama zu denken. Auch die Gedanken des Führers über den Krieg in ‚Mein Kampf‘ sowie in seinen Reden sind eingehend zu behandeln, daneben Auszüge aus Schriften großer Feldherren wie Friedrich der Große, Clausewitz, Moltke, Ludendorff, Hindenburg. Die Beschäftigung mit Abschnitten aus Bismarcks ‚Gedanken und Erinnerungen‘ wird gleich den Schriften und Reden des Führers das Verständnis für den engen Zusammenhang zwischen Krieg und Politik fördern. Jedoch soll bei der Stoffauswahl nicht zu einseitig vorgegangen werden. Pflicht des Deutschunterrichts bleibt es, die die deutsche Dichtung als Ausdruck der unermessbar reichen deutschen Seele der Jugend nahezubringen.
Gleichzeitig sind Schriften der Feldherrn nach der formalen Seite als Vorbild für einen klaren, knappen und treffenden Ausdruck bei entsprechendem Gegenstand zu betrachten. Eine solche Ausdrucksweise, die sich auf das Wesentliche beschränkt, soll von den Schülern an Jungenschulen in mündlichen und schriftlichen Berichten geübt werden. Dazu dient auch der Kurzaufsatz, der auf allen Klassenstufen, auch auf der Oberstufe eine Stelle haben soll (Dauer etwa 20-30 Minuten, auf der Oberstufe höchstens eine Unterrichtsstunde).
d) In der Musik ist im Rahmen des deutschen Volksliedes Soldatenlieder besondere Beachtung zu schenken. Wertvolle Texte sind auswendig zu lernen. Auch die Marschmusik verdient in dieser Zeit einen breiteren Raum im Unterricht der höheren Schule.
e) Der Kunstunterricht soll den Geschichtsunterricht darin unterstützen, dass er bei der Kunstbetrachtung auch Werke der deutschen Baukunst und der bildenden Kunst in den wieder erworbenen oder neu gewonnenen Gebieten heranzieht. Es soll den Schülern zum Bewusstsein gebracht werden, dass dieser Krieg auch für die Erhaltung der ewigen Werte der deutschen Kunst und Kultur geführt wird. Auch auf die Stoffwahl für den praktischen Unterricht wird die Wehrerziehung sich auswirken müssen (Ornamentik, Kriegs-und Kampfsymbole). Im Werkunterricht ist der Bau von Modellen, besonders von Flugzeugmodellen gesteigert zu betreiben.
f) Fremdsprachlicher Unterricht:
Im Unterricht der alten und neueren Sprachen soll der Gedanke der Wehrerziehung vornehmlich bei der Wahl des Lesestoffs beachtet werden. Außerdem werden die kriegerischen und politischen Ereignisse der Gegenwart mannigfaltige Anregungen zu politischen und geschichtlichen Betrachtungen in Bezug auf die betreffenden fremden Völker und Staaten bieten.
g) Mathematikunterricht ist die Anwendung dieser Wissenschaft auf die Kriegstechnik zu beachten. Auf Ballistik und Entfernungsmessverfahren wird besonders verwiesen. Bei der Aufgabenwahl ist das Kriegsleben bevorzugt heranzuziehen. Das gilt auch für die Reifeprüfungen.
h) Der Physikunterricht soll noch stärker als bisher, am besten in Arbeitsgemeinschaften Flugwissenschaft und Wetterkunde betreiben, aber auch in Verbindung mit dem Mathematikunterricht allgemein der Technik von Kriegsmaschinen und Kriegsinstrumenten seine Aufmerksamkeit schenken, soweit die Beachtung des Lehrplans es irgend gestattet.
i) Im Chemieunterricht ist neben dem Vierjahresplan und der Kriegswirtschaft den Kampfstoffen sowie den Luftschutzeinrichtungen und Gasschutzapparaten besondere Aufmerksamkeit zu schenken.
j) Der Biologieunterricht wird zusammen mit dem Geschichtsunterricht und' Erdkundeunterricht die raumpolitische Betrachtung des Krieges und der durch ihn aufgeworfenen Fragen durch die rassenpolitische und bevölkerungspolitische Betrachtung ergänzen. Der Krieg ist als Mittel zur Verteidigung wertvollen Blutes und Rassengutes zu betrachten. Pessimistische Erwägungen über umgekehrte Auslese usw. sind au vermeiden. Im Übrigen ist auf die weltanschauliche Grundlegung des Nationalsozialismus gesteigerte Aufmerksamkeit zu richten» Das Leben als Kampf Entartung und Aufartung. Die Herrschaft in der Welt kommt den rassisch wertvollsten, kulturschöpferischen Völkern zu.
Für den Unterricht in den Leibesübungen verweise ich auf den Ministerialerlass vom 23.12.1939, mitgeteilt durch Erlass vom 9.1.1940 II 272 gen.
k) Als Hilfsmittel der Wehrerziehung sind namentlich zu benutzen: Neben den Fachzeitschriften: ‚Weltanschauung und Schule‘, ‚Der deutsche Erzieher‘, ‚Die höhere Schule‘, die ‚nationalsozialistischen Monatshefte‘, die ‚Schulungsbriefe‘ der NSDAP, ‚Die Wehrmacht‘, außerdem die Tageszeitungen, besonders der ‚Völkische Beobachter‘. Auch illustrierte Zeitschriften sind als Anschauungsmittel heranzuziehen. Außerdem sei hingewiesen auf die bei Ferdinand Hirt, Breslau, in der ‚Deutschen Sammlung‘ erschienenen Bändchen ‚Das deutsche Heer‘, ‚Die deutsche Kriegsmarine‘, ‚Die deutsche Luftwaffe‘ (Preis je Heft 0,80 RM).
Auch die Darbietungen des Rundfunks sind für den Unterricht nutzbar zu machen. Der Film, besonders der Schulfilm, wird, wenn er in der rechten Weise vorbereitet und ausgewertet wird, der Wehrerziehung gute Dienste leisten.
Für die höheren Schulen, die im Gau Westfalen-Nord gelegen sind, verweise ich auch auf die Richtlinien und das Merkblatt, die die Gauwaltung des NSLB im Einvernehmen mit der Propagandastelle des Wehrkreises VI herausgegeben und allen Schulen zugestellt hat. Alle Anregungen, die auf der höheren Schule verwandt werden können, sind auch bei den künftig erscheinenden Merkblättern zu beachten.
An allen höheren Schulen meines Amtsbereichs ist so bald wie möglich eine Gesamtkonferenz zusammenzurufen, in der die obigen Richtlinien zur Grundlage einer eingehenden Besprechung gemacht werden. Daran haben sich innerhalb der nächsten drei Wochen Fachkonferenzen anzuschließen, in denen vornehmlich erwogen wird, wie im Rahmen des Lehrplans Wehrerziehung betrieben werden kann. Über die Ergebnisse der Konferenzen ist mir bis zum 1. März kurz zu berichten. Auch in späteren Gesamt- und Fachkonferenzen ist der Frage der Wehrerziehung besondere Beachtung zu schenken.
gez. Dr. Alfred Meyer“