Der Bericht des Oberkommandos der Wehrmacht vom 1. Juli 1942
Der Jubel, den Günther Roos am 1. Juli 1942 in seinem Tagebuch zum Ausdruck brachte, muss vor dem Hintergrund der damaligen Lage auf dem östlichen Kriegsschauplatz gesehen werden. [1] Hier hatte die Wehrmacht seit Oktober 1941 zwar große Teile der Krim besetzt, sie scheiterte aber lange an der Einnahme des von sowjetischer Seite zäh verteidigten Sewastopol. Hier hatten sich in einem Befestigungslabyrinth über 100.000 sowjetische Soldaten verschanzt, die die monatelange Belagerung genutzt hatten, um neue Stellungen, Bunker und Minenfelder anzulegen.
Schließlich zog Generaloberst Erich von Manstein an der nur 35 Kilometer breiten Front neun deutsche und rumänische Divisionen zusammen und startete nach massiven Luft- und Artillerieeinsätzen am 7. Juni 1942 den Angriff auf den ersten von drei Verteidigungsringen um die Stadt.
Es dauerte aber noch zweieinhalb Wochen, bis Sewastopol eingenommen werden konnte. Entschieden war die Schlacht nämlich erst, nachdem die Wehrmacht am 29. Juni mit Sturmbooten das befestigte Südufer der Sewernaja-Bucht eingenommen hatte. Danach brach der sowjetische Widerstand zusammen, so dass mit Stadt und Hafen am 1. Juli 1942 die letzte Bastion der Roten Armee auf der Krim in die Hände der Deutschen fiel, was Günther Roos nach dem wochenlangen zähen Ringen in Verzückung versetzte.
Die einmonatige Erstürmung des wichtigsten sowjetischen Flottenstützpunkts im Schwarzen Meer kostete fast 20.000 Soldaten das Leben (rund 10.000 Angehörige der Roten Armee, 6.000 Wehrmachtsangehörige und etwa 1.900 Rumänen). Außerdem gerieten 97.000 Rotarmisten in deutsche Kriegsgefangenschaft.
Strategisch war die Einnahme von Sewastopol und damit der Krim von erheblicher Bedeutung, denn damit erkämpfte die 11. Armee unter anderem eine Flankensicherung für die deutsche Sommeroffensive des Jahres 1942 in Richtung Don und Kaukasus.
Der im Rundfunk verlesene Bericht des Oberkommandos der Wehrmacht wirkt – in krassem Gegensatz zum emotionsgeladenen Tagebucheintrag von Günther Roos – dagegen nüchtern und sachlich. Andererseits enthält er nur positive Nachrichten und wird einen Großteil der deutschen Bevölkerung die Sicherheit vermittelt haben, dass der Krieg im Osten im Laufe des Jahres 1942 siegreich beendet würde.
Mit freundlicher Genehmigung durch das Historische Archiv der Stadt Köln.
Der Wortlaut
„Aus dem Führerhauptquartier den 01. Juli 1942. Das Oberkommando der Wehrmacht gibt bekannt: Im Angriff gegen Sewastopol wurde der Einbruch in den inneren Festungsgürtel an mehreren Stellen zum Durchbruch erweitert. Deutsche Truppen drangen, von der Luftwaffe hervorragend unterstützt, bis zu den Verteidigungsstellungen am Ostrand der Stadt vor und erstürmten das aus dem Krimkrieg bekannte Fort Malakow.
Von Osten angreifende Divisionen stießen durch die Sapun-Stellung in breiter Front tief in das Festungskampffeld vor und befinden sich in fortschreitendem Angriff. Dabei wurde in hartnäckigen Kämpfen der Übergang über einen ausgedehnten Panzerabwehrgraben erzwungen und zahlreiche, durch moderne Kampfanlagen ausgebaute Höhenstellungen genommen.
Rumänische Truppen gewannen in schnellem Vorstoß Stadt und Hafen Balaklawa. Im südlichen und mittleren Teil der Ostfront sind deutsche und verbündete Truppen zum Angriff angetreten.
Nachtangriffe von Kampffliegerverbänden gegen den feindlichen Nachschubverkehr im Raume zwischen Don und Oskol verursachten große Zerstörungen in mehreren wichtigen Bahnknotenpunkten.
Im Gebiet westlich des Wolchow [Fluss] wurde die Säuberung des Geländes von versprengten Verbänden des Feindes fortgesetzt. Artillerie zerschlug erneute Bereitstellungen der Sowjets vor dem Wolchow-Brückenkopf.
An der Einschließungsfront von Leningrad griffen Kampf- und Sturzkampfflugzeuge mit gutem Erfolg feindliche Panzerbereitstellungen an und bekämpften Eisenbahnanlagen im Waldai-Gebiet.
Im hohen Norden wurden Hafen- und Industrieanlagen sowie ein feindlicher Flugstützpunkt von der Luftwaffe schwer getroffen.
In Ägypten stießen deutsche und italienische Truppen durch das Gebiet von El Daba nach Osten vor und stehen im Angriff gegen die El Alamein- Stellung, die letzte feindliche Befestigung vor Alexandrien. Vor Alexandrien griff ein deutsches Unterseeboot einen stark gesicherten Geleitzug an und versenkte einen Truppentransporter von 13.000 Bruttoregistertonnen.
Auf Malta bombardierten Kampfflugzeuge in der letzten Nacht den Flugplatz Luca. Bombenvolltreffer zerstörten mehrere am Boden abgestellte Flugzeuge und riefen größere Brandfelder in den Flugplatzanlagen hervor.
Der Kampf gegen die feindliche Versorgungsschifffahrt brachte auch im Monat Juni große Erfolge. Es wurden 156 feindliche Schiffe mit zusammen 886.000 Bruttoregistertonnen versenkt. Außerdem wurden 58 feindliche Handelsschiffe durch Torpedo- oder Bombentreffer beschädigt. An diesem Erfolg ist die Unterseebootwaffe mit der Versenkung von 132 Schiffen mit 755.300 Bruttoregistertonnen hervorragend beteiligt.“
Fußnoten
[1] Vgl. etwa https://www.dhm.de/lemo/kapitel/der-zweite-weltkrieg/kriegsverlauf/eroberung-von-sewastopol-1942.html (7.11.2016)