Zeitgenössische Kommentare
Im offiziellen Programmheft des „Illustrierten Film-Kurier“ wird der Film so vorgestellt:
„Professor Heyt und seine junge Frau Hanna leben in glücklichster Ehe. Der Professor hat sich aus ganz einfachen Verhältnissen zu der Stellung eines Wissenschaftlers herauf gearbeitet, die ihm nun auch gestattet, die äußeren Lebensbedingungen angenehmer zu gestalten. Ein festlicher Abend anlässlich der Berufung des Professors zum Leiter eines weltberühmten wissenschaftlichen Instituts soll das Glück der Eheleute bekräftigen. Während eines kleinen Hauskonzerts muss Hanna, die junge Frau, das Klavierspiel plötzlich aufgeben, - die linke Hand versagt ihr den Dienst. Als die Lähmung in den nächsten Tagen nicht nachlässt, lässt der Professor Hanna von Dr. Lang, dem Freund des Hauses, untersuchen. Mit Hilfe des Augenspiegels stellt Dr. Lang bei Hanna Multiple Sklerose fest, eine sehr schwere Krankheit, die oft zum Tode führt. Der Zustand der jungen Frau verschlimmert sich zusehends. Professor Heyt sieht nun seine große Aufgabe darin, den Erreger der Krankheit zu finden. Die Arbeit führt ihn zu anderen, bedeutenden wissenschaftlichen Ergebnissen. Das Ergebnis, das Hanna retten könnte, findet er nicht. - Es scheint mit der jungen Frau zu Ende zu gehen. Sie leidet, unrettbar verloren, unsägliche Qualen. Da greift der Professor zum Äußersten. Der lindernde Trank, den er ihr reicht, bringt ihr den Tod. „Oh, Thomas, wäre dies doch der Tod!“ sagt sie, und er antwortet mit einer Stimme, die alle Liebe, aber auch alle Verantwortung in sich birgt: „Ja, Hanna, es ist der Tod!“ Als sie nun hinüberschläft, leuchtet tiefe Dankbarkeit aus ihren Augen. - Schwere Vorwürfe werden gegen den Professor erhoben: es kommt zu einer Gerichtsverhandlung, zu einer Anklage wegen „Tötung auf Verlangen“. Sein Freund Dr. Lang, der erst seine Tat verurteilte und entschieden gegen ihn war, hat sich - als er in einer Heilanstalt das namenlose Unglück sah, das ihm der Anstaltsarzt vor Augen führte - nun zum Verteidiger Professor Heyts gemacht. Das Gericht und die Geschworenen sind bemüht, einen Freispruch herbeizuführen. Bisher hat Professor Heyt geschwiegen. Aber jetzt, als er sieht, dass die Anklage gegen ihn fallengelassen werden soll, jetzt klagt er an. Nach seiner flammenden Anklagerede bittet Professor Heyt um das Urteil.“
Im „Film-Kurier“ äußerte sich Georg Herzberg:
„Menschen leiden zu sehen und nicht helfen zu können, das ist die härteste Pflicht, die den Ärzten in ihrem Beruf auferlegt wird ... Wir erleben diesmal keinen Triumph des Arztes. Wir werden ergriffene Zeugen eines Kampfes, den der Mensch gegen höhere Gewalten führt ... Das Beglückende an diesem Film ist, dass er zu seiner zwingenden Wirkung mit dem Einsatz künstlerischer Mittel gelangt. Er ist fürwahr künstlerisch besonders wertvoll ... Heidemarie Hatheyer erfüllt mit diesem Film selbst höchstgespannte Erwartungen, mit denen man aufgrund ihrer letzten Filme ihrer neuen Rolle entgegensah. Sie legt in ihre Hanna Heyt alles, was die Seele einer jungen Frau ausfüllen kann: Liebe und Frohsinn, Zärtlichkeit und Stolz. Und sie lässt all das spürbar werden, was das furchtbare Wort unheilbar in sich birgt. Ohne äußerliche Mittel, ganz aus der Kraft des Ausdrucks heraus gestaltet sie die Stationen der Krankheit, den allmählichen Verfall, das Erkennen des Unabwendbaren.“
Die „Deutsche Filmzeitung“ schrieb:
„In diesem Film stehen zwei Momente in vorderster Front: Zunächst das Wort. In ihm bzw. in der Nuancierung der einzelnen Dialoge ist die Grundtendenz enthalten, die offenbart eine dichterische Gebundenheit, wie wir sie selten erleben konnten. Das zweite Moment ist die Mimik, das stumme Spiel. Dies verbunden mit dem Wort entfesselt die Dynamik, die von so intensiver Ausstrahlung ist, dass man alles ringsumher vergisst und noch Tage nachher ganz im Bann der gehabten Eindrücke steht.
Regie und Dichtung vereinigen sich in diesem Film auf das glücklichste ... Mit Erschütterung und dem beglückenden Bewusstsein einer wunderbaren Offenbarung erlebt man Heidemarie Hatheyer als die Frau des Forschers. Viel haben wir von der Hatheyer erwartet, viel hat sie uns schon im Film, mehr noch als auf der Bühne, zu schenken vermocht. Ihr Letztes aber gab sie diesmal. Die Wandlung, die sie vom lebenslustigen, übermütigen jungen Mädel zur leiderfahrenen Frau durchmacht, wie Gesicht, Körper, Bewegung, Mimik, Sprache zusammenklingen zu einer einzigen Harmonie, das ist schlechthin meisterlich. Die Hatheyer fand zwei große Partner. Da ist zunächst Paul Hartmann als ihr Mann ... Wer kann sich des Zaubers erwehren, der von dem Paar Hatheyer und Hartmann in ihren Soloszenen ausgeht. Und dieser Zauber ist immer lebendig, gleichviel ob es sich um heitere, ausgelassene Szenen handelt, oder um jene, die vom Schatten des Todes überstrahlt sind. Neben beiden steht Mathias Wieman als Arzt und Freund. Seine Haltung ist männlich und aufrecht, hinter seiner Verschlossenheit spürt man die Wärme eines tief menschlich empfindenden Herzens.“
Seitens des Tobis-Filmverleihs selbst wurde der Film im für die Presse zusammengestellten Material so gefeiert:
„Des Arztes heilige Aufgabe ist, dem Leben zu dienen und den Tod zu bekämpfen. Zuweilen aber gelangt gerade der gute, mitfühlende Arzt an jene Grenze, da ihm das Recht gebietet, das widerwillig glühende Lebensfünkchen eines hoffnungslos leidenden Menschen immer erneut anzufachen, während Herz und Vernunft ihm sagen, dass sein Tun sinnlos geworden sei, ja dass er Leiden verlängere, statt von Leiden zu erlösen. In diesen Zwiespalt führt der neue Tobis- Film, der ein Spitzenwerk deutscher Kunst ist und bleiben wird. Die Handlung erzählt, wie ein Universitätsmediziner, dem Befehl des Herzens gehorchend, seine Frau durch eine zu starke Dosis lindernder Tropfen von ihrem hoffnungslos gewordenen Todeskampf erlöst und darauf unter Mordanklage vor Gericht gezogen wird. Der behandelnde Arzt, bester Freund des Paares, der auch früher einmal die Frau geliebt hat, sagt dem Professor die Freundschaft auf, weil er sich gegen das Ethos des Arzttums vergangen habe. Zeugenaussagen vor Gericht klären nach spannendem Verlauf den Hergang der Tat so weit, dass es feststeht: Es war eine Tötung auf Verlangen, kein Mord. Dennoch muss der Professor bestraft werden; strenge Paragraphen wollen es so. Der Freund hat inzwischen sein Tun verstehen gelernt und bekennt sich vor Gericht zu ihm.
Unter Wolfgang Liebeneiners Regie ist hier eines der großartigsten Filmwerke entstanden, die jemals geschaffen wurden. Es ist gewiss kein ‚Spielfilm’ im alten Sinn - er gibt Leben, wie es wirklich ist, so herrlich und so furchtbar, wie es jeder von uns in Grenzsituationen durchstehen muss. Liebeneiner versteht die schwere Kunst, das Mosaik der einzelnen Einstellungen so dicht zusammenzufügen, dass nirgends ein Sprung bleibt: Es ist ein Film aus einem Guss, mit unerhört wirkungsvollen Steigerungen und mit Szenen von einer geradezu sprengenden Erlebniskraft. Wir denken etwa an jenen Auftritt, in dem Mathias Wieman - auf der Höhe seines schauspielerischen Könnens angelangt - bei der Untersuchung der Frau den ‚Blick in den Abgrund’ tut, das Todesurteil erkennt und doch gegenüber der heiter Scherzenden unbefangen zu bleiben versucht. Wir denken an das felsenhart geschlossene Antlitz Paul Hartmanns in den vielen Szenen, wo er sich über das Mikroskop beugt, von dem wilden Wunsche beseelt, in letzter Minute noch den Erreger der Todeskrankheit seiner Frau zu finden und dem Schicksal in den Arm zu fallen. Wir denken an die aus Grauen und Verzweiflung zu lichter Höhe führende Sterbeszene Heidemarie Hatheyers, deren ungekünstelte Natürlichkeit und erschütternde Leidenskraft sie uns tief ins Herz wachsen lässt...“
Im Pressematerial des Filmverleihs hieß es weiter:
„Worum geht es in diesem Film? ‚Hier stehe ich, Karl Thomas Heyt, und bekenne, dass ich meine Frau, die unheilbar krank war, auf ihren Wunsch erlöst habe. Hier stehe ich, der Angeklagte, und klage an. Ich klage die Vollstrecker überwundener Anschauungen und überholter Gesetze an. Es geht hier nicht um mich, sondern um die Hunderttausende jener hoffnungslos Leidenden, deren Leben wir gegen die Natur verlängern müssen und deren Qualen wir damit ins Widernatürliche steigern ... und es geht um jene Millionen von Gesunden, denen kein Schutz vor Krankheit zuteilwerden kann, weil alles, was dazu notwendig wäre, verbraucht werden muss, um Wesen am Leben zu erhalten, deren Tod für sie eine Erlösung und für die Menschheit die Befreiung von einer Last wäre ... und nun, meine Herren Richter und Geschworenen, bitte ich Sie um Ihr Urteil !’
Diese aufrüttelnden Schlusssätze des Arztes Professor Heyt vor dem Schwurgericht umreißen das gewaltige Problem dieses Films. Sie geben Ihnen, Herr Theaterbesitzer, zugleich einen Begriff von der Verantwortung, die mit der Werbung für diesen Film Ihnen auferlegt wird. Sie wissen, wie publikumswirksam das Arztmilieu im Film ist; die dramatische und spannende Gestaltung des Höhepunktes, die Schwurgerichtsverhandlung, ist immer von größtem Reiz für die Filmbesucher; die Fragestellung des Films: ‚Darf der Arzt einen unheilbaren Kranken töten?’, bewegt jeden Menschen zutiefst. Die Versuchung ist groß, nun mit allen erprobten Mitteln an reißerisch gestimmter Werbung zu arbeiten. Aber Sie dürfen und werden dieser Versuchung nicht erliegen? [...]
Die Schöpfer des Films haben in langer und mühevoller Arbeit, unter ständiger Beratung und Hilfe der größten Fachautoritäten dieses große und bedeutsame Thema filmisch so zu gestalten gewusst, dass jeder Ihrer Besucher im Innersten gepackt und gezwungen wird, sich mit dieser entscheidenden Frage auseinander zu setzen. Keiner kann sich der Debatte entziehen, die der Film unter Millionen entfesseln wird. Degradieren Sie also durch eine abgeschmackte Werbung diesen ernsten künstlerischen Film und seinen hohen ethischen Wert nicht zu einem sensationellen Reißer!“
Im „Zeitschriften-Dienst“ (ZD Nr. 5200: 122. Ausgabe, 29. August 1941) wurden damals als Vorgabe zur „Filmberichterstattung“ folgende Hinweise an die Journalisten gegeben:
„Der Tobis-Film ‚Ich klage an‘ behandelt in einer ergreifenden Spielfilmhandlung die Frage, ob der Arzt in besonderen Ausnahmefällen berechtigt sein soll, einem unheilbar Kranken auf dessen Wunsch hin seine Qualen zu verkürzen. In den Bildern und im Dialog des Drehbuchs wird mit höchstem menschlichen Ernst und ärztlicher Verantwortung eine seit langem umstrittene Frage der Medizin und des Rechts aufgegriffen. Wenn es auch nahe liegt, die in dem Film zum Ausdruck kommende Tendenz im Tenor der Kunstbetrachtungen anklingen zu lassen, so wollen wir uns doch davor hüten und lediglich den künstlerischen Gehalt dieses Films würdigen, zum Problem selbst aber und zu der vorgeschlagenen Lösung vorläufig weder positiv noch negativ in irgendeiner Form, auch nicht in selbständigen Arbeiten Stellung nehmen. Ebenso wollen wir den Ausdruck ‚Euthanasie‘ vermeiden. Der nach dem Roman von Hellmuth Unger außerordentlich spannend und gut aufgebaute Film bietet zudem durch die hervorragenden schauspielerischen Leistungen … genügend Stoff für fruchtbare Kunstbetrachtungen.“