Der Film: „Und finden dereinst wir uns wieder …“
„Und finden dereinst wir uns wieder…“ ist ein deutscher Film aus dem Jahr 1947. Der vom „Studio 45” unter der Regie von Hans Müller hergestellte 95-minütige Streifen beruht auf einer Erzählung von Hertha von Gebhardt. Die deutsche Erstaufführung des Films fand am 2. Dezember 1947 in der „Filmbühne Wien” in Berlin statt. [1]
Es handelt sich um einen der ersten Nachkriegsfilme, der sich mit der Zeit des Nationalsozialismus auseinandersetzte und dabei die Verführung der deutschen Jugend thematisierte. Es geht um eine Gruppe von Schülern, die aus Berlin nach Altena in Westfalen evakuiert wurden. Im März 1945 machten sich fünf von ihnen heimlich auf den rund 500 Kilometer langen Weg nach Berlin, um – hierin (dem allerdings schon älteren) Günther Roos vergleichbar - am „Endkampf“ um die Reichshauptstadt teilzunehmen.
Unterwegs begegnen die Jugendlichen einem ihrer Lehrer, der in den Jahren zuvor im Unterricht immer wieder versucht hatte, sie im Sinne der NS-Ideologie zu beeinflussen. Nun aber fordert er seine früheren Schüler händeringend auf, seine ihn nunmehr belastende SA-Uniform verschwinden zu lassen. Der Pädagoge – dargestellt von Paul Dahlke – verkörpert somit den typischen Fall eines „Wendehals“. Auf ihrem Weg treffen die Heranwachsenden zudem auf einen von seiner Einheit versprengten Gefreiten, der ihnen mit seinen bitteren Berichten vom Krieg in Russland die Augen öffnet.
Dennoch bleibt der Weg nach Berlin nicht ohne Folgen. Der jüngste der Schüler kommt noch ums Leben und seinen Gefährten bleibt nichts zu tun, als ihn am Straßenrand zu verscharren. So weicht der in den Jahren zuvor anerzogene Idealismus, „für Führer und Vaterland in den Kampf zu ziehen“, der Einsicht, dass Hitler als Initiator des Krieges ein Verbrecher ist.
Rezension im „Spiegel“
Anlässlich der Urtaufführung in Berlin schrieb der „Spiegel“ am 6. Dezember 1947:
„Jungens schlagen sich durch - Film unterm Goethe-Zitat
Ein Rudel halbwüchsiger Jungen verbeugte sich hinter der üppigen Blumenrampe der Filmbühne Wien am Berliner Kurfürstendamm, während der Beifall zögernd zu ihnen hinauftönte. Einer trug den Hund, dem zuliebe er eben auf der Leinwand einen rührseligen Tod gestorben war. Im Artilleriebeschuss der Berliner Belagerung, Frühjahr 1945.
‚Und sehen dereinst wir uns wieder‘ ist die zweite Produktion des ‚Studio 45‘, das sich mit rühmlichem Eifer aber geringer Treffsicherheit (vergl. ‚Zugvögel‘) der jugendlichen Nachkriegsproblematik angenommen hat. Und es ist ein Zitat aus ‚Hermann und Dorothea‘, das ein bebrillter Oberlehrer (Paul Dahlke, sehr abgemagert und mit einem Bocksbärtchen versehen) dem andern vorm Einschlafen in kargen Luftschutzbetten vorliest.
Der Inhalt: Fünf Jungens einer verlagerten Schulklasse schlagen sich in den letzten Kriegswochen aus Westfalen nach Berlin durch, um ihre Heimatstadt verteidigen zu helfen. Die Geschichte hat die schwache Ausrede, wahr zu sein, doch das Drehbuch des Firmenchefs Hasselbach, nach einer Novelle Hertha von Gebhardts, lässt es an innerer und häufig auch äußerer Wahrscheinlichkeit fehlen.
Die fünf reisen zunächst zu einem abgöttisch verehrten NS-Lehrer und finden ihn in vollem Entbräunungsprozess begriffen. Er verleugnet plötzlich sein SA-Hemd mit den drei Bonbons des Sturmführers. Der treuherzige blonde Schüler steht fassungslos vor dem entblätterten Abgott von gestern.
Die Jungen, einschließlich des Hundes, der dem Jüngsten nachläuft, marschieren weiter. Sie stoßen auf einen trefflichen Gefreiten mit Nahkampfspange, der auch zu Muttern will. Für ihn ist der Krieg vorbei, und der Zuschauer fragt sich ungeduldig, wie lange die aufgeweckten Knaben noch brauchen werden, um das ebenfalls zu begreifen.
Doch erst am Holzkreuz, das sie für den toten Kameraden mitten im Berliner Kampfgetümmel errichten, flüstert der blonde Hitlerjunge Quex dem stoppelbärtigen Gefreiten (Willy Rose) zu, dass er in Hitler nur noch den Mörder sehen könne, wie es damals seine Mutter tat, als die Nachricht vom Tode des Vaters aus Russland kam. In einer Feuerpause wird der Junge dann bei seiner sehr adretten Mutter (Käthe Haak) in der Küche abgeliefert.
Echte Wochenschaubilder stehen unversöhnt neben der etwas fadenscheinigen Kamera-Arbeit, die eher in einen billigen Werbefilm gehört. Und ebenso unvereinbar stehen sich die Problematik dieser grausigen Monate und die unzulänglichen künstlerischen Mittel gegenüber. Dramaturgie und Regie (Hans Müller) sind so lose geschneidert, dass ein Sprecher (Carl Raddatz) über die Übergänge hinweghelfen muss.“
Zeitgenössische Rezeption:
Der 1935 geborene Frankfurter Erich Stör erinnert sich, den Film gemeinsam mit seiner Klasse und einem engagierten Lehrer während des Schulunterrichts in der Nachkriegszeit gesehen zu haben. Dabei habe der Lehrer in dem Film Ein „Dilemma für Filmemacher und Darsteller“ ausgemacht. Das liege darin, „dass sie oft selbst noch in der letzten Phase der Naziherrschaft an staatsgenehmen Filmen mitgewirkt hätten, und außerdem – wie auch der überwiegende Teil der Zuschauer – sich selbst eher schuldlos fühlten an Krieg und Mord und deshalb alle Verantwortung gerne einer einzigen Person (Hitler) oder dessen direktem Umfeld zuschiebe. Auf diese Weise würden sich manche ein Alibi für das Geschehene basteln und eigene Verstrickungen in die Vergangenheit ausblenden, so dass sie sich sogar selbst als ‚Opfer‘ dieser Diktatur fühlen könnten. Nach diesem Rezept seien die meisten Menschen in dieser Zeit gut gewesen, nur einige Böse trügen deshalb die Verantwortung.“
Erich Stör erinnert sich auch an die Reaktion der Schüler: „Einige von uns, die den Film gesehen haben, widersprechen dieser Sichtweise des Lehrers – vielleicht weil sie stimmt oder Eltern und Verwandte sich genauso verhalten –, doch abgesehen davon halten wir alle trotz unseres sehr jugendlichen Alters (oder gerade deswegen) den Film für sehenswert und einen gelungenen Versuch, einen offenen Blick in die Vergangenheit zu werfen. Nur so können wir besser verstehen, was eigentlich passiert ist in den Köpfen der Menschen. So ergibt sich dann auch für uns ein Sinn.“
Aktuelle Rezeption:
Der Film wird heute eher kritisch gesehen: „Und finden dereinst wir uns wieder...“, so heißt es etwa in einem Programmheft des Deutschen Historischen Museums im Jahr 2011, stehe „für eine Tendenz im (west-)deutschen Nachkriegskino, die Schuld für Krieg und Mord einzig und allein bei der NS-Obrigkeit, nicht aber beim einfachen ‚Mitläufer‘ zu suchen“. So würde die vermeintliche Alleinschuld Hitlers „zum Alibi für eigene Verstrickungen“, denn: „Durch ihn sind alle anderen Deutschen zu ‚Opfern‘ geworden. Paul Dahlke als sympathischer Lehrer und Autoritätsperson fordert am Ende des Films zum Blick nach vorn auf: ‚Zu sterben für eine Idee kann gut sein. Zu leben aber, zu arbeiten für sein Volk, das ist viel, viel größer als der Tod.‘“
Fußnoten
[1] Angaben nach http://damals-im-kino.stoer.de/das-drama-und-finden-dereinst-wir-uns-wieder/ , http://www.dhm.de/archiv/kino/wiederentdeckt_2011_1.html und http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-41123827.html [alle eingesehen am 4.11.2016]