Außerdem sollte das Leistungsbuch die Teilnahme an Lehrgängen, Lagern, Wettkämpfen und weiteren internen Veranstaltungen der Hitlerjugend dauerhaft zu dokumentieren. Dabei, so die Forderung, sei Wert darauf zu legen, nicht nur sämtliche Leistungen, sondern insbesondere auch die „Schwächen“ zu erwähnen, die jeder einzeln Jugendliche aus NS-Sicht noch zu überwinden habe. Außerdem galt das Leistungsbuch als „genauer Dienstausweis“, über jedes Jahr in der Hitlerjugend.
Als Ziel wurde definiert: „So dokumentiert die Hitler-Jugend mit diesem Leistungsbuch, dass sie gewillt ist, ihre Schulung nicht auf die weltanschauliche und politische Erziehung zu beschränken, sondern dass sie aus der Erkenntnis heraus, dass die Zukunft ein gesundes und starkes Geschlecht braucht, ihren Körper in harter und disziplinierter Zucht auf die großen Aufgaben der Zukunft vorbereitet. Keine Rekordhascherei, keine Soldatenspielerei treiben wir auf den Sportplätzen, sondern aus dem tiefen Gefühl unsrer Verantwortung für das kommende Reich heraus arbeiten wir sowohl geistig wie auch körperlich unablässig an uns. So stellen wir der Nation das neue Geschlecht.“
Damit stellte das mit Eintritt ins 10. Lebensjahr geführte Leistungsbuch das erste Glied in der Kette jener Dokumente dar, die während der NS-Zeit jeden Menschen ganz und gar erfassen und in seiner geistigen, politischen und körperlichen Ausrichtung zum transparenten Objekt des NS-Regimes machen sollten. Ihm folgten dann entsprechende Dokumente des Reichsarbeitsdienstes und der Wehrmacht, aber auch das „Arbeitsbuch“ und andere (partei-) amtliche Dokumente sollten dazu beitragen, eine Art gläsernen Menschen zu schaffen, dessen politischer Lebenslauf jederzeit einsehbar war.
Es gelang der Hitlerjugend allerdings nicht, diese propagandistisch häufig wiederholten Ansprüche flächendeckend in die Tat umzusetzen. So lässt ein Bericht aus der Essener HJ-Gefolgschaft „Wasserturm“ deutlich werden, dass es in dieser Hinsicht noch vieles zu verbessern gab. Auch wenn die Anforderungen des Leistungsbuch bewusst so gehalten waren, dass jedes Mitglied der Hitlerjugend sie hätte bewältigen können, gaben im Sommer 1937 von den 70 an einer Leistungsprüfung teilnehmenden Jungen der Gefolgschaft lediglich 23 ihr Leistungsbuch vollständig ausgefüllt zurück. Der Gefolgschafts-Chronik ist in diesem Punkt leise (Selbst-) Kritik zu entnehmen: „Immer und immer wieder haben wir versucht, jeden Jgg. [Junggenossen] einzeln heranzuziehen, um ihn durch mehrere Übungen die Chance zur Erfüllung des Leistungsabzeichens zu geben.“ Das Ziel des Sommers 1937, dass jedes Gefolgschaftsmitglied das Abzeichen erlangen sollte, war allerdings klar verfehlt worden. „So werden wir mit neuem Mut an die Arbeit im Sommer 38 gehen und hoffen, zum Ziele zu kommen.“
Auch das hier abgebildete Leistungsbuch von Günther Roos ist ein Beleg dafür, dass Anspruch und Wirklichkeit (nicht nur) in diesem Punkt oft weit auseinanderklafften. Er verzichtete, nachdem die erste Begeisterung fürs Jungvolk verflogen war, ganz offenbar auf die Ablegung der „Pimpfenprobe“ und die im Alter von 12 oder 13 Jahren anstehende „DJ-Leistungsprüfung“. Erst als die Überweisung in die HJ drohte, die Günther Roos unter allen Umständen verhindern wollte, wurde er in gefordertem Sinne aktiv und legte im Mai und Juni 1939 die einzelnen Prüfungen für das Leistungsabzeichen in Eisen ab. Im Herbst 1940 folgte dann jenes in Bronze, Mitte 1942 das in Silber.
Reichsweit wurden bis 1943 wurden insgesamt 103.061 HJ-Leistungsabzeichen in Bronze ausgegeben, 217.093 in Silber, 152.600 DJ-Leistungsabzeichen, 115.521 BDM-Leistungsabzeichen in Bronze, 58.734 JM-Leistungsabzeichen und 11.063 Führersportabzeichen. Gemessen an über acht Millionen Mitgliedern in der Hitlerjugend war dies ein eher geringer Prozentsatz.