Robert Koch – Der Bekämpfer des Todes

„Robert Koch, der Bekämpfer des Todes“ ist eine zwischen März und Juni 1939 unter der Regie von Hans Steinhoff entstandene Filmbiografie mit Emil Jannings in der Titelrolle und Werner Krauß als sein Gegenspieler Dr. Rudolf Virchow.[1] Der Film wurde am 26. September 1939 im Berliner Ufa-Palast am Zoo uraufgeführt. Seitens der NS-Zensur erhielt er die Prädikate staatspolitisch und künstlerisch besonders wertvoll, kulturell wertvoll, volkstümlich wertvoll und jugendwert.

Landarzt Dr. Koch ist verzweifelt: Eine Tuberkulose-Epidemie rafft die Kinder seines Bezirks dahin, ohne dass man etwas dagegen tun könnte. Jedes vierte Kind ist bereits erkrankt, hilflos müssen die Eltern zusehen, wie ihre Kleinen elendig dahinsiechen. Schon seit Jahren hat sich Koch fieberhaft damit beschäftigt, den Erreger der Tuberkulose aufzuspüren. Seine Arbeit stößt jedoch bei zahlreichen Kollegen auf Missgunst und blanke Ablehnung. Man hält ihn für einen Scharlatan, einen Blender, der sich mit seinen Vermutungen und Untersuchungen auf einer völlig falschen Spur befinde. Es gibt Neider, wie etwa einen in seiner Ehre gekränkten Lehrer oder den Vertreter einer Gesundbeter-Sekte, aber auch sehr viel ernstere Gegner – allen voran der berühmte Mediziner-Kollege und Politiker Geheimrat Dr. Rudolf Virchow. Dieser einflussreiche Reichstagsabgeordnete stellt Kochs Mutmaßung, dass ein Bazillus der Auslöser der Tuberkulose ist, scharf in Abrede. Intrigen und Verleumdungen behindern Kochs unermüdlichen Forscherdrang, können ihn jedoch nicht stoppen. Eines Tages gelingt es dem jungen Mediziner, seine Vermutungen zu beweisen. Daraufhin lädt ihn das Gesundheitsministerium nach Berlin ein, um dort seine Forschungen ungestört und mit den nötigen finanziellen Mitteln fortzusetzen. Aber auch in der Hauptstadt versuchen verschiedene Kräfte, Robert Kochs Arbeit zu torpedieren.

Als Folge des Films entwickelte sich im Reichsgebiet kurzzeitig ein regelrechter Robert Koch-Hype: So erreiche ein Koch-Roman von Hellmuth Unger dank des Films im Herbst 1940 die Verkaufsmarke von 100.000 Exemplaren. Der an dem Film beteiligte Autor Gerhard Menzel wiederum schrieb das Koch-Theaterstück „Der Unsterbliche“, das am Schauspielhaus Hamburg am 5. September 1940 uraufgeführt wurde. Und sowohl im Deutschlandsender als auch in den Reichssendern Berlin und Breslau wurden Hörspiele über Koch ausgestrahlt.

Zeitgenössische Kommentare

In einer Werbebroschüre zum Film heißt es:

„Schnee- und Regenschauer fegen über winterliche Felder. Heulend fängt sich der Wind in dem steinigen Hohlweg, durch den in früher Morgenstunde der Landarzt und Kreisphysikus Dr. Robert Koch zu einem sterbenden Kinde fährt. Die Tochter eines armen Waldhüterpaares ist der tückischen Tuberkulosekrankheit, die jedes vierte Kind in dem ländlichen Kreise dahinrafft, zum Opfer gefallen.

Erschüttert steht Koch an der Leiche der Kleinen. Jedes vierte Kind im Kreise ... und keine Aussicht, diese fürchterliche Seuche mit Erfolg zu bekämpfen. Seit Jahren beschäftigt er sich damit, den Erreger der Tuberkulose zu finden. In seinem Sprechzimmer in Wollstein hat Koch sich einen kleinen Verschlag gebaut. Hier arbeitet er in jeder freien Minute an seinen Präparaten - sitzt Nächte hindurch vor seinem Mikroskop, um dem Erreger dieser fürchterlichen Geißel der Menschheit auf die Spur zu kommen. Kleinbürgerlicher Unverstand macht ihm das Leben schwer. Ein in seiner Würde gekränkter Lehrer und eine Gesundbetersekte gehen mit scharfen Anklagen gegen den stillen Forscher vor. Gemeine anonyme Artikel erscheinen im Kreisblatt, um den Landarzt und Kreisphysikus Dr. Koch aus seiner Stellung zu bringen. Zum Glück hat er in dem Landrat des Kreises einen verständnisvollen Freund, der die große Bedeutung der wissenschaftlichen Arbeiten seines Kreisphysikus längst erkannt hat. Eingaben über Eingaben gehen an das Ministerium nach Berlin. Koch selbst schickt immer wieder neue Berichte über seine Forschungen ein ... mit dem einzigen Resultat, dass die Akten der Berliner Registratur dicker und dicker werden! Denn der große Berliner Gelehrte, Geheimrat Virchow, auf dessen Urteil die ganze medizinische Welt hört, ist ein erklärter Gegner der Koch’schen Theorie. Bazillen als Erreger der Krankheiten erklärt er für Unsinn. Seiner Meinung nach sind die Krankheiten auf einen Zerfall oder Veränderung der Zellen zurückzuführen. Einer der Assistenten Kochs ist der Sohn des Landrats, Fritz, ein junger Mediziner, der sein Staatsexamen glänzend bestanden hat und als Lieblingsschüler Kochs mit ihm arbeitet. Nach vielen Monaten aufopferungsvoller Arbeit gelingt es Koch, nach Hunderten von vergeblichen Versuchen und Färbungen seiner Präparate den Erreger der Tuberkulose festzustellen. Aber noch gibt er diese Entdeckung nicht bekannt, denn erst gilt es, bis ins Letzte den Beweis zu erbringen, dass dieser von ihm gefundene Erreger einwandfrei der Ursprung dieser todbringenden Krankheit ist.

Trotz aller Intrigen und niedrigen Anschuldigungen, die gegen den Landarzt erhoben werden, kommt endlich die Berufung Kochs nach Berlin als Regierungsrat an das Kaiserliche Gesundheitsamt. Der Leibarzt des Fürsten Bismarck, der gleichzeitig Direktor dieses Gesundheitsamtes ist, hat sich auf das wärmste für den stillen Forscher eingesetzt. Voller Freude eilt Koch nach Berlin - aber auch hier erwarten ihn nur neue Kämpfe und Schwierigkeiten. Man spöttelt über den ‚Bazillenjäger’ - der sich mit seinen Assistenten Löffler, Gaffky und Fritz tagelang im Laboratorium einschließt. Untergeordnete Beamte versuchen, dem Regierungsrat Koch immer neue Hindernisse in den Weg zu legen - so dass dieser sich schließlich Hilfe suchend an Virchow - den Tapst der Wissenschaft - wendet. Leider hat der viel beschäftigte Geheimrat, der gerade zu einer großen Reichstagssitzung fahren will, keine Zeit, um sich von Herrn Dr. Koch seinen ‚Bazillen-Zirkus’ vorführen zu lassen.

Es ist ein gigantischer, dramatischer Kampf, den Koch für seine Entdeckung führt. Ein Kampf vor allem auch gegen Rudolf Virchow - der sich am Ende doch vor dem Gegner beugen muss! Und es ist ein Kampf, den Koch mit schwerstem Opfer bezahlen muss; sein junger Assistent Fritz, den er wie einen Sohn liebt, wird nach einer Ansteckung, die er sich während der gemeinsamen Laboratoriumsarbeit zuzieht, von dieser schrecklichen Krankheit, befallen und stirbt.

Eine grandiose Apotheose des Sieges schließt den Film: In der Aula der Universität wird der zu Weltruhm gelangte Robert Koch gefeiert. In einer mitreißenden Rede fordert er die ihm gläubig lauschende Jugend auf, den Kampf gegen den heimtückischen Feind, die Tuberkulose, fortzuführen, bis zum siegreichen Ende.“

Die Produktionsfirma „Tobis“ ließ der Presse unter der Überschrift „Robert Koch und wir - Gespräch mit Hans Steinhoff“ folgende Aussage des Regisseurs zukommen:

„Noch lange vor Beendigung des Films hielt uns - Emil Jannings, Werner Krauß, den Dichter Paul Joseph Cremers und mich - der Rausch des Schaffens wie ein Fieber gefangen. Wir hatten ja dieses Mal nicht irgendein nettes oder spannendes Sujet, sondern wir hatten die hohe Aufgabe und die große Verantwortung, Leben und Leistung eines Mannes sichtbar werden zu lassen, dessen Ruhm unvergänglich ist wie sein Name. Ich möchte versuchen, knapp und präzise zu formulieren, worin Aufgabe und Verantwortung für uns bestand. Zunächst einmal haben wir filmisches Neuland betreten, indem wir einmal einen geistigen Kämpfer in den Vordergrund eines Werkes stellten: einen Mann, der so sicher und gewiss ein Held war wie jeder tapfere Held und wie jener alles einsetzte für seine Idee, seine Mission und sich aber auch dieser Idee in Disziplin und Demut unterordnete. Der Kampf, den er, der kleine Landarzt aus Wollstein, führte, ist wahrhaft heroisch zu nennen.“

Im „Völkischen Beobachter“ der Tageszeitung der NSDAP, hieß es:

„Emil Jannings glückte es durch die Mittel der Ruhe und Beharrlichkeit, ein sicheres Bild des großen Arztes zu entwerfen, der auszog, den Erreger der Tuberkulose zu finden, und der mit nachtwandlerischer Sicherheit durch einen Strom von Anfeindungen watete, um am Ende als Sieger bescheiden zu bleiben. Denn: Die Sache ist alles, die Person ist nichts.“

Einordnung

Rolf Giesen und Manfred Hobsch sehen in dem Streifen die „zum teutonischen Geniefilm stilisierte Biografie“ Robert Kochs. Nachdem viele deutsche Naturwissenschaftler und Ärzte seit 1933 aufgrund politischer oder rassischer Verfolgung bereits emigriert wären, habe das NS-Regime versucht, die Wissenschaft „zu nationalisieren“. Im Film gehe es daher um die Darstellung des genialen deutschen Forschers mit unbeugsamem Arbeitswillen. Zudem glaube Koch „an den Sinn aller Erneuerungen unseres Wissens durch den ewig forschenden Menschengeist“ und sehe den Arzt als einen „Helfer der Menschheit“. Als Landarzt zeige er dem arroganten Virchow, wer die größere Persönlichkeit ist. „So diffamiert der Film einen Demokraten. In Wirklichkeit war Virchow einer der großen Liberalen seiner Zeit, und es ist bezeichnend, dass er hier für die ‚dekadente Demokratie‘ steht, welcher Hitler den Kampf angesagt hatte.“

Felix Moeller urteilte 1998 in seinem Buch „Der Filmminister“: „Hier finden sich einige NS-typische Topoi weiter perfektioniert: das miefig-konservative Bürgertum, die alten Reaktionäre, der alle Widerstände überwindende Glaube eines Mannes an seine Mission, martialische Terminologie, antiklerikale Anspielungen und die systematische Denunziation des politischen Systems der Weimarer Republik.“

Im der 1987 erschienen Untersuchung „Der deutsche Film 1938–1945“ von Boguslaw Drewniak ist zu lesen: „Dieses Robert-Koch-Memorial war aus kniender Haltung gefilmt: Pflicht, Opferbereitschaft, der absolute Glaube eines Forschers an seine Sendung, das politisch richtige (Bismarck-Anhänger-) Handeln und kaum eine Liebesszene“. Dem gegenüber stand die Charakterisierung des liberalen Koch-Gegenspielers Rudolf Virchow: „Krauss zeichnete Virchow als den Medizinpapst, als den in sein eigenes Dogma verrannten Gelehrten, den ehrgeizigen, im Licht des Hofes stehenden Greis, der nur mit innerstem Widerstreben die neue Epoche medizinischer Erkenntnis anerkennt.“

Das „Lexikon des Internationalen Films“ schreibt: „Die Art seiner Schilderung weist Steinhoffs Film als typisches Beispiel der NS-Produktion aus: Mit großen Schauspielern wird eine Figur der deutschen Vergangenheit stilisiert, der aufgrund seiner Überlegenheit jegliche Mittel erlaubt sind. Hier hilft er auch noch, den deutschen Stamm reinzuhalten“

Kay Weniger meinte 2001 in „Das große Personenlexikon des Films“ zu Steinhoffs Inszenierung: Die Kochs Biografie sei vom Regisseur „zur Huldigung deutschen Forschergeistes“ stilisiert worden. „Koch, so Steinhoffs Gleichung, steht wie Hitler für das Neue und Wagemutige, das Kühne und Revolutionäre. Ihm, wie Hitler, so will der Film insinuieren, stünden zahlreiche unzulängliche und bornierte Widersacher entgegen, deren Kleinmut sie blind für die Visionen der gottgleichen Erneuerer macht.“

Reclams Filmführer schließlich weist bezüglich des Koch-Films und ähnlich gelagerten NS-Produktionen jener Jahre, in deren Mittelpunkte überdimensionale Führungspersönlichkeiten standen, auf Folgendes hin: „Porträts großer Deutscher webten geschickt am Mythos des Führers, der unbeirrt durch gehässige Gegner und kleinliche Zweifler seinen Weg geht und aus seiner genialen Intuition notfalls auch gegen logische Argumente die richtige Entscheidung trifft.“

„Buchers Enzyklopädie des Films“ sieht in Regisseur Steinhoff, der beispielsweise auch für „Ohm Krüger“ verantwortlich zeichnete, einen der linientreuesten Starregisseure des NS-Zeit.

Fußnoten

[1] Darstellung nach Giesen/Hobsch, Hitlerjunge, S. 218ff., https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Koch,_der_Bek%C3%A4mpfer_des_Todes und http://www.filmportal.de/film/robert-koch-der-bekaempfer-des-todes_4c3a59c0824b41c896900ca5955aa093 (eingesehen am 27.3.2016)

zuletzt bearbeitet am: 27.03.2016

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